Die Veranstaltung ist zwar erst für Mai geplant - aber schon jetzt erregt sie die Gemüter. In der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) soll der umstrittene Historiker Daniele Ganser im Mai einen Vortrag zum Thema "Warum ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen?" halten.
Die Stadt will die Veranstaltung nicht absagen, obwohl Kritiker Ganser die Verbreitung von Verschwörungsmythen und die Relativierung des Holocaust vorwerfen. Das hat Oberbürgermeister Roland Klenk (CDU) dem SWR bestätigt. Es entspreche der grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit, Meinungsäußerungen nicht zu untersagen, die rechtlich nicht verboten seien.
Blume: keine Wissenschaft, sondern Verschwörungsmythos
Ganser ist ein Historiker aus der Schweiz. Kritiker werfen ihm die Verbreitung von Verschwörungsmythen vor und die Relativierung des Holocausts. Der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung BW, Michael Blume, kritisiert: "Was Daniele Ganser vertritt, ist eben nicht mehr Wissenschaft. Es ist ganz viel Verschwörungsmythos dabei." Ganser sei aus seiner Sicht ein "Verschwörungs-Unternehmer", da Auftritte wie der in der Filderhalle wesentliche Einkommensquelle sei. Ganser werde nicht nur die geschichtswissenschaftliche Qualifikation abgesprochen, so Blume. Der Antisemitismusbeauftragte beobachtet auch antisemitische Tendenzen. Ganser relativiere den Holocaust, wenn er diesen mit der Covid-Pandemie gleichsetze.
Leinfelden-Echterdingen: Keine rechtliche Handhabe
Die Stadt Leinfelden-Echterdingen distanziere sich "ausdrücklich von jeglicher Art des Antisemitismus, Verunglimpfung anderer Menschen sowie Verschwörungsmythen", heißt es in einer Mitteilung. Dennoch wolle man den Vertrag mit Ganser nicht kündigen. "Nach der Recherche konnten keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass in der Vergangenheit gegen Aussagen oder Behauptungen des Referenten strafrechtlich, privatrechtlich oder polizeilich vorgegangen worden ist." Eine konkrete Nachfrage bei der Polizei habe zudem ergeben, dass Gansers Veranstaltungen bisher polizeiordnungsrechtlich nicht auffällig geworden seien.
Der Antisemitismusbauftragte Blume lehnt diesen, aus seiner Sicht legalistischen Ansatz ab. Der Stadt Leinfelden-Echterdingen fehle der Mut, Verschwörungsmythen als solche zu benennen.
OB Klenk: Was wäre bei Absage wegen politischem Druck gewonnen?
Städte wie zuletzt Nürnberg haben geplante Auftritte von Ganser abgesagt. Laut Oberbürgermeister Klenk geschieht das auf politischen Druck hin. "Wie wirkt denn so eine Absage?", sagte er dem SWR. "Jetzt haben 1.000 Leute 30 Euro bezahlt, um jemanden anzuhören. Dann hören sie, dass die Veranstaltung auf politischen Druck hin abgesagt worden ist. Haben wir da was gewonnen?", sagte er dem SWR.
Gegendemo im Mai erwartet - Blume will sprechen
Die Veranstaltung mit Ganser ist nach Auskunft der Filderhalle bereits ausverkauft. In Leinfelden-Echterdingen formiert sich unterdessen Protest. Laut Stadt ist bereits eine Gegendemo angekündigt, zu der 200 Menschen erwartet werden. Michael Blume möchte bei dieser Demo als Redner auftreten. Er wolle nicht, dass "solche Leute in Gebäuden auftreten dürfen, die durch meine Steuergelder mitfinanziert werden".