Familiäre Wurzeln

Kretschmann begleitet Glocken aus Esslingen nach Polen

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Autor/in
Christian Spöcker
Christian Spöcker, SWR

Hamburg, später Esslingen, nun Polen: Mehrere Kirchenglocken beenden dieses Wochenende eine lange Irrfahrt - für Ministerpräsident Kretschmann eine Reise in die Vergangenheit.

Nachdem sie lange in Esslingen-Oberesslingen (Kreis Esslingen) zum Gottesdienst läutete, ist eine Kirchenglocke am Samstagmorgen offiziell ihrer Heimatgemeinde Straszewo (früher Dietrichsdorf) im heutigen Polen übergeben worden. Damit geht eine jahrzehntelange Odyssee der Glocke aus dem 18. Jahrhundert zu Ende. Denn die Nationalsozialisten ließen wie tausende andere Exemplare auch sie im damaligen Ostpreußen abhängen, um das Metall für den Kriegseinsatz zu verwenden.

Vom "Glockenfriedhof" nach Esslingen-Oberesslingen

Es kam allerdings nicht dazu, dass die Kirchenglocke während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen wurde. Stattdessen lagerte sie nach dem Zweiten Weltkrieg neben vielen anderen zunächst in Hamburg auf dem sogenannten "Glockenfriedhof". Da Polen inzwischen unter kommunistischer Herrschaft stand, lehnte es die für Norddeutschland zuständige britische Militärregierung ab, die Glocken wieder dorthin zurückbringen zu lassen.

Stattdessen wurden sie ab 1950 als sogenannte "Leihglocken" deutschen Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt. So landete die Glocke zusammen mit einer weiteren im Kirchturm der katholischen St. Albertus Magnus-Gemeinde in Esslingen-Oberesslingen. Nun wurde sie am Samstag schließlich offiziell zurückgegeben.

Drei Glocken werden an ihre polnischen Heimatgemeinden übergeben.
Bischof Gebhard Fürst (2. v. l.) feiert mit polnischen Geistlichen die Rückgabe einer Kirchenglocke, die von den Nazis geraubt wurde.

Ähnlich erging es einer Glocke von 1704 aus Frauenburg (polnisch Frombork): Sie läutete jahrzehntelang in Aichtal-Grötzingen (Kreis Esslingen) und wurde am frühen Samstagabend ebenfalls offiziell übergeben. Unter den Gästen war - wie bei der Übergabe am Morgen - auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), da er die Reise begleitet und zugleich einen persönlichen Bezug zu Frombork hat, das früher Frauenburg hieß.

Kretschmann: Reise zu den Wurzeln der Familie

Kretschmanns Bruder Ulrich wurde in Frauenburg getauft. Seine Eltern stammten aus dem Ermland. Dort kamen zwei ältere Geschwister Kretschmanns zur Welt, ein drittes Geschwisterkind starb auf der Flucht. Kretschmann wurde 1948 in Spaichingen (Kreis Tuttlingen) geboren. Als Kirchenbeauftragter der Landesregierung begleitet der Grünen-Politiker an diesem Wochenende die insgesamt drei Kirchenglocken auf ihrer Heimreise, die vom Bischof der Diözese Rottenburg Stuttgart Gebhard Fürst angeführt wird. Eine vierte wird später zurückgebracht.

Drei Glocken werden an ihre polnischen Heimatgemeinden übergeben.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann bei der Übergabezeremonie

"(Ich) freue mich, dass die Glocken wieder an den Ort ihrer Herkunft zurückkehren."

Aus "Leihglocken" werden "Friedensglocken"

Mit dem Projekt "Friedensglocken für Europa" will die Diözese Rottenburg-Stuttgart insgesamt rund 60 Glocken wieder an ihren Ursprungsort im heutigen Polen und Tschechien zurückbringen. Angesichts des Krieges in der nahegelegenen Ukraine bezeichnete Kretschmann das "Friedensglocken"-Projekt vor Journalisten am Samstag als Ausdruck der Sehnsucht der Völker nach Frieden.

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