Bereits im März waren die Terminbücher für die Hebammenpraxis "Amma" gut gefüllt. Das half den zwei Gründerinnen der Gemeinschaftspraxis allerdings kaum: Das Geburtshaus in Aichtal-Grötzingen (Kreis Esslingen) der Hebammen Janna Hufnagel und Nathalie Rose wurde und wurde nicht fertig. Zu aller Verzögerung kam hinzu, dass die Bauleitung insolvent gegangen war. Nun aber, Anfang September, ist das Geburtshaus fertig - bis auf einen einzigen Raum. "Hier fehlt noch das Waschbecken", sagt Janna Hufnagel.
Nachfrage für Geburtshaus über die Region Stuttgart hinaus
Es geht zwar zu Fuß noch über einen behelfsmäßigen Eingang in die Praxis, trotzdem dürfte vielen Schwangeren der Hebammenpraxis ein Stein vom Herzen gefallen sein. Nun haben sie Gewissheit, dass sie in Aichtal gebären können. Aus Stuttgart, der Region Neckar-Alb und sogar aus Pforzheim kommen die Frauen. Das zeigt die hohe Nachfrage nach Geburtshäusern. Allerdings gibt es laut dem Hebammen-Verband Baden-Württemberg aktuell nur zwölf solcher Häuser - "Amma" ist eines davon. Weitere sind in Planung.
Wenig Geburtshäuser trotz schwindender Kreißsäle
Deutschlandweit werden jährlich 800.000 Babys geboren, davon allerdings nur rund 17.000 bei Hausgeburten oder im Geburtshaus. Dabei wurden vielerorts bereits Kreißsäle geschlossen. Weitere sind im Bestand bedroht - aktuell etwa in Leonberg und Herrenberg im Kreis Böblingen. Zudem ist das Personal knapp, wie sich aktuell in Kreißsälen im Kreis Konstanz zeigt.
Vier von fünf Frauen könnten im Geburtshaus oder zu Hause entbinden
Geburtshäuser wie nun "Amma" in Aichtal könnten Engpässe bei der flächendeckenden Versorgung durch Kreißsäle kompensieren. Davon ist der Hebammenverband überzeugt. "Risikoschwangerschaften gehören zur Entbindung natürlich in die Klinik", sagt die Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg Jutta Eichenauer. Doch laut Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO könnten etwa 85 Prozent aller Geburten "physiologisch", also auf natürlichem Weg ablaufen. "Das bedeutet also durchaus als Hausgeburt oder im Geburtshaus", sagt Eichenauer.
Die SWR-Reportagereihe "7 Tage" gibt Einblicke in die Arbeit und den Alltag einer Hebamme außerhalb des Kreißsaals.
Heimelige Atmosphäre für werdende Mütter und Väter
Wie andere Geburtshäuser ist auch "Amma" speziell für ruhige, störungsfreie Geburten eingerichtet: Parkettboden, Bilder an der Wand, Holzmobiliar und Wände gestrichen in beruhigenden Farben. Keine sterile Krankenhaus-Atmosphäre also. Die notwendige Technik für die Geburtshilfe, so erklärt Hebamme Janna Hufnagel beim Rundgang, sei "eingebettet zwischen dem anthroposophischen Regenbogen und dem goldenen Bild an der Wand".
Hohe Belastungen für Hebammen durch Geburtshaus-Bau
Allerdings ist für Hebammen wie Janna Hufnagel und Nathalie Rose ein solches Geburtshaus ein Wagnis. Bereits zuvor sind sie den Weg in die Selbständigkeit gegangen - trotz der Belastungen durch Versicherungskosten und ständiger Rufbereitschaft. Nun müssen sie auch noch die rund 80.000 Euro für ihre Geburtshaus-Räumlichkeiten vorstrecken. Denn von Kommune, Kreis oder Land gibt es keine Zuschüsse. Und die Kosten für das halbe Jahr Bauverzögerung gehen zudem in die Tausenden.
So war der Stand beim Geburtshaus "Amma" noch beim Besuch des SWR im Frühjahr.
Hebammen im Kreis Esslingen machen sich selbstständig Geburtshaus: Noch nicht eröffnet und schon fast ausgebucht
Schwangere haben wenig Möglichkeit zur Entbindung außerhalb von Kliniken. In Aichtal eröffnen zwei Hebammen bald ein Geburtshaus. Schon vor dem Start ist es nahezu ausgebucht.
Drei weitere Hebammen werden anfangen
"Wenn wir eine Gesellschaft hätten, der bewusst ist, wie wichtig Geburt ist, wäre uns auch bewusst, dass Hebammen besser finanziert werden müssen", sagt Janna Hufnagel. Entmutigen lassen sich die beiden Geburtshaus-Gründerinnen aber nicht: Drei weitere Hebammen sollen nun bei ihnen zu arbeiten anfangen.