Der Flohmarkt, der palästinensischen Flüchtlingskindern eine bessere Zukunft ermöglichen soll, wurde heiß ersehnt: Kaum öffneten sich am Freitag die Tore, strömten zahlreiche Kundinnen und Kunden in die Gemeinderäume von St. Georg am Stuttgarter Pragfriedhof. Zwei Tage lang wird der Flohmarkt von Ehrenamtlichen veranstaltet.
Flohmarkt für palästinensische Flüchtlingskinder seit 1996
Waltraud von Hauff hatte die jährliche Spendenaktion vor fast 30 Jahren mit ins Leben gerufen. 1996 habe sie zum ersten Mal von der Situation der Kinder im Libanon gehört und deshalb den ersten Spenden-Flohmarkt veranstaltet. Der brachte damals 10.000 Mark ein, mit denen den Flüchtlingskindern aus einem Lager bei der libanesischen Hauptstadt Beirut ein Ausflug ermöglicht werden konnte. Die Kinder dort kommen aus unterschiedlichen Ländern, viele aber sind Palästinenserinnen und Palästinenser. Nicht alle Kinder sind selbst geflohen, viele sind in den Lagern geboren und aufgewachsen. Spätestens nach einem Besuch im Libanon 2002 habe Waltraud von Hauff gewusst, dass sie damit weitermachen müsse, sagte sie dem SWR.
Ihre Eindrücke aus einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon 2002 schildert Hauff so: "Es war bedrückend zu sehen, wie Kinder und Familien fast in einer Art Hühnerkäfig leben müssen. Eine Unterbringung, die ich sogar für Hühner schlimm fände." Die Flohmarktspenden würden unter anderem Heizöl, warme Kleidung und Medikamente für die Menschen in den kalten libanesischen Wintern mitfinanzieren.
Hilfe, damit Kinder nicht mit Hass auf Israel aufwachsen
Das Talent und die Lebensfreude der Jugendlichen aus dem Lager - trotz ihrer Situation - habe sie damals tief beeindruckt. "Mein Gott, die brauchen eine Zukunft", erinnert sich von Hauff. Deshalb würden die Spenden an eine Hilfsorganisation vor Ort weitergehen, die sich seit den 70er-Jahren dafür einsetzt, dass die Kinder in den Flüchtlingslagern nicht mit Hass auf Israel aufwachsen. Das könne auch helfen, es der als Terrororganisation eingestuften Hisbollah nicht so leicht zu machen, Menschen aus den Flüchtlingscamps für sich zu rekrutieren. Auch die Hamas würde versuchen, in den Lagern Menschen zu rekrutieren.
Spenden unterstützen Winterhilfe für Geflüchtete im Libanon
"Wir merken, dass die Stimmung in den Lagern immer verzweifelter wird, weil wir die dritte oder vierte Generation haben, die dort geboren wurde. Die dürfen beispielsweise nur wenige Berufe im Libanon ausüben", sagt Lise El-Abd von der Organisation "Flüchtlingskinder im Libanon", an die die Spenden des Flohmarkts gehen. Diese Gelder seien konkret zweckgebunden für die Winterhilfe in der Bekaa-Ebene, ein Gebiet in den Bergen zwischen Libanon und Syrien. In der Bekaa-Ebene leben laut El-Abd viele palästinensische Flüchtlinge in Lagern. Und da viele der Familien schon vor Jahrzehnten geflüchtet sind, leben einige schon in der dritten oder vierten Generation in den Lagern. Auch syrische Flüchtlinge würden dort mittlerweile in nicht-amtlichen Lagern wohnen.
Hilfsorganisation sagt Reise in Libanon zu Flüchtlingen ab
Seit 30 Jahren arbeitet "Flüchtlingskinder im Libanon" mit der örtlichen Partnerorganisation "The National Institution of Social Care and Vocational Training" zusammen. Deren Ziel sei es, den palästinensischen Flüchtlingskindern eine Zukunftsperspektive zu geben, damit diese nicht weiter flüchten oder sich extremistischen Gruppen anschließen. So würden Bildungsprojekte gestartet oder psychologische Betreuung angeboten. "Es wird Traumabewältigung unterstützt, damit das nicht von Generation zu Generation weitergegeben wird", erklärt Lise El-Abd.
Wo und ob das Geld ankommt, überprüft die Organisation "Flüchtlingskinder im Libanon" auch regelmäßig. Eigentlich reist eine Delegation alle eineinhalb Jahre in das Nachbarland von Israel. Dort treffen sie Partner und Geflüchtete und kommen mit den Menschen über aktuelle Nöte und Sorgen direkt ins Gespräch, erklärt El-Abd. In einer Woche hätte nun wieder eine solche Reise angestanden. Aber wegen der aktuellen Eskalation im Nahen Osten hätten sie die Reise abgesagt.
Gemeinde St. Georg will Zeichen setzen und Solidarität zeigen
Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen, auch gerade jetzt, so die Gemeindereferentin Christine Göttler-Kienzle von der Gemeinde St. Georg in Stuttgart. Doch der Flohmarkt hilft nicht nur Familien im Libanon durch die weitergereichten Geldspenden. Auch direkt in Stuttgart könnten ärmere Menschen von dem Flohmarkt profitieren, sagt Organisatorin Waltraud von Hauff: "Wo sonst kann man sich für 25 Euro komplett für den Winter einkleiden?"
Der Flohmarkt wird mit Sachspenden bestückt, die in großer Zahl abgegeben würden, wie von Hauff berichtet. Zu kaufen gibt es viel Kleidung, Haushaltsgeräte, Geschirr, Dekoration oder Spiele. Viel kann günstig abgegeben werden, qualitative Dinge auch mal etwas teurer. "Wir wollen ja viel für den guten Zweck sammeln", sagte von Hauff, bevor am Freitag die Tore aufgingen. Der Flohmarkt kann noch bis Samstag, 16 Uhr, in St. Georg in Stuttgart-Nord besucht werden.