Reisemesse CMT in Stuttgart

Camping: Wie barrierefrei geht Urlaub mit dem Wohnmobil?

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Autor/in
Kerstin Rudat
Kerstin Rudat
Jennifer Mallmann
Jennifer Mallmann

Barrierefreiheit auf Reisen ist auf der CMT in Stuttgart ein immer größeres Thema. Zum Beispiel im Bereich Caravaning. Und barrierefrei Urlaub machen in der Region Stuttgart - geht das?

Urlaub mit dem Camper ist mittlerweile für sehr viele Menschen die Urlaubsform der Wahl, aber Menschen mit Behinderung haben bei Wohnmobilen immer noch das Nachsehen. Oder doch nicht? Inzwischen gibt es Firmen, die speziell Wohnmobile für Menschen mit Handicap oder im Rollstuhl bauen - oder umbauen. Eine von ihnen ist auf der Reisemesse CMT dabei.

Brecht Caravan aus Heilbronn hat sich auf barrierefreie Wohnwagen und -mobile spezialisiert. Das Familienunternehmen kauft Serien-Fahrzeuge und baut diese dann individuell um oder aus. Die Idee kam 2020 auf, als die Firma ebenfalls auf der CMT von mehreren Menschen mit Beeinträchtigung angesprochen wurde, ob es nicht auch Fahrzeuge für sie gäbe. Umgebaut - nach individuellen Bedürfnissen, nicht fertig barrierefrei vom Hersteller. Es sei eine Marktlücke gewesen, sagt Manuela Brecht. "Dann war für uns die Frage: Ja, warum machen wir das nicht einfach?" Ohnehin sei ja jeder Wagen, jedes Mobil individuell.

Herkömmliche Fahrzeuge bieten zu wenig Platz

"Die größte Hürde für die Menschen bei herkömmlichen Fahrzeugen ist, in diese reinzukommen. Da reicht die Breite der Türen in einem Wohnwagen oder -mobil normalerweise nicht aus. Oder die Möbel sind direkt im Weg", erklärt Brecht. Dann stelle sich die Frage, ob der Mensch mit Behinderung genug Platz im Toilettenraum hat, auch im Fahrzeug duschen möchte oder oft kocht und dafür mehr Platz beziehungsweise andere Höhen brauche. "Da bauen wir oft um", so Brecht.

Die erste und wichtigste Frage ist: Wie komme ich denn überhaupt rein in den Wohnwagen oder das Reisemobil?

Verein "Aktive Behinderte in Stuttgart" macht den Test

Der Vorsitzende des Vereins "Aktive Behinderte in Stuttgart - Zentrum selbstbestimmt Leben" (ZSL), Friedrich Müller, hat auf der CMT Wohnwagen und Reisemobil der Firma Brecht getestet. Er selbst ist Rollstuhlfahrer und sagt: "Drinnen konnte ich mich relativ gut bewegen." Auf einer Reise könnte das alles gut klappen. Bei herkömmlichen Wohnwagen und -mobilen fange das Problem schon beim Reinkommen an, betont auch er: Sie haben keine Rampe. Jetzt gebe es Wohnmobile mit Lift, im Inneren Hilfen zum Duschen und vieles mehr. Das Beste bei dieser Firma sei aber, dass sie ganz nach den individuellen Bedürfnissen baut beziehungsweise umbaut. Aber, so sagt Müller auch, generell sei Deutschland beim Thema Barrierefreiheit noch nicht so weit. "Vieles ist in den USA besser, und wenn wir auf den öffentlichen Raum schauen, sind einige osteuropäische Länder Deutschland sogar voraus."

Friedrich Müller (links) im Gespräch mit Manuela Brecht und Oliver Reinl.
Friedrich Müller (links) im Gespräch mit Manuela Brecht und Oliver Reinl. Müller hat Wohnmobil und -wagen getestet.

Deswegen engagiert Müller sich mit seinem Verein auch auf der CMT. Hier ist ZSL schon seit ein paar Jahren mit einem Stand vertreten. Der Verein schaut auf einen barrierefreien Tourismus und sieht sich als Dienstleister für Tourismus-Anbieter, wenn es um Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung geht. Zudem verleiht ZSL auf der CMT den "Goldenen Rollstuhl" als Auszeichnung für besonders behinderten-freundliche Angebote.

Oliver Reinl von "Aktive Behinderte in Stuttgart - Zentrum selbstbestimmt Leben" und sein Team beraten am Stand.
Oliver Reinl von "Aktive Behinderte in Stuttgart - Zentrum selbstbestimmt Leben" und sein Team beraten am Stand auf der CMT.

Experten: Es kommen immer mehr Angebote zur Barrierefreiheit

"Das ist im Kommen, Wohnmobile für Menschen mit Behinderung", sagt Oliver Reinl vom Vorstand. Es tue sich aber auch ansonsten hier und da was in der Reisebranche. "Mehr und mehr Angebote für Menschen mit Behinderung kommen, da setzt sich das Gesetz zur Teilhabe nach und nach durch." Große Reiseanbieter hätten da keine Probleme, so Reinl. "Und auch da, wo es große Tourismus-Abteilungen gibt, wird viel gemacht, zum Beispiel im Heckengäu. Aber ich bin auch hier auf der Messe zu Regionen gegangen, die wussten gar nicht, dass es auch Rollstuhlfahrer gibt." Alle würden aber betonen, dass sie daran arbeiten, beispielsweise Wanderwege barrierefrei zu erschließen und darüber zu informieren.

Es wird besser, aber es ist noch lange nicht so, wie es sein sollte.

Barrierefreies Reisen auch im Tourismus-Marketing ein Thema

Bei der Tourismus-Marketing-GmbH für Stuttgart und die Region Stuttgart heißt es: "Wir sind dran und kriegen auch öfters spezifische Anfragen. Das ist ein sehr wichtiges Thema, das müssen wir unterstützen", bestätigt eine Sprecherin. Aber es sei nicht so einfach mit der Barrierefreiheit, denn das Thema beträfe unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Insofern sei es auch ein herausforderndes Thema, vor allem fürs Marketing.

Helfen würde "Reisen für alle". Die Region Stuttgart ist bei der bundesweiten Initiative zur Kennzeichnung von Barrierefreiheit beim Reisen über das Land Baden-Württemberg mit dabei.

"Reisen für alle": Ist das Reiseziel für mich barrierefrei?

Ob ein Angebot grundsätzlich auch für Menschen mit Handicap geeignet ist, lässt sich individuell über das Informations- und Bewertungssystem "Reisen für alle" testen. Sehr viele verschiedene Eingabemöglichkeiten gibt es. Wir versuchen es niedrigschwellig mit den Kriterien für Pensionen, Hotels und Campingplätze in der Region Stuttgart: Wo gibt es stufenlosen Zugang, eine stufenlose Dusche und weitere Räumlichkeiten, die stufenlos oder mit einem Fahrstuhl erreicht werden können? Es werden im Portal gerade mal ein Gästehaus in Waiblingen und ein Hotel in Stuttgart angezeigt. Camping- und Stellplätze für Wohnmobile lassen sich bei "Reisen für alle" mit diesen drei Minimal-Anforderungen gar nicht finden.

Gibt es wirklich so wenig barrierefreie Angebote in der Region Stuttgart? Die Hürden für eine Zertifizierung von "Reisen für alle" sind relativ hoch: Betreiberinnen und Betreiber von Angeboten, Campingplätzen oder Hotels können sich melden und werden dann geprüft. Dies erfolgt über speziell geschulte Menschen, die die Betriebe und Orte besuchen und zudem mit einem Fragebogen Daten zur Barrierefreiheit erheben. Somit soll eine Selbsteinschätzung des Betriebs oder der Kommune verhindert werden. Um eine Zertifizierung zu bekommen, müssen die Betriebe außerdem für alle Personengruppen detaillierte Informationen zur Zugänglichkeit und Nutzbarkeit ihres Angebots oder Hauses für Gäste vorhalten. Und mindestens ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin muss eine Schulung zum Thema "Barrierefreiheit als Qualitäts- und Komfortmerkmal" besucht haben.

Komplexes System soll ausgebaut und besser beworben werden

Die Kennzeichnung gibt es in zwei Qualitätsstufen, erläutert Projektleiterin Natalie Thurau: "teilweise barrierefrei" oder "barrierefrei", und zwar für die Gruppen Menschen mit Gehbehinderung, Menschen mit Rollstuhl, Menschen mit Hörbehinderung, gehörlose Menschen, Menschen mit Sehbehinderung, blinde Menschen und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Das Zertifikat sei immer für drei Jahre gültig. Je nach Größe des Betriebs kostet die Prüfung ab 120 Euro. Für die Zertifikate muss dann noch mal extra gezahlt werden. Bundesländer, Kommunen und Regionen können Lizenznehmerinnen von "Reisen für alle" werden, und können dann selbst mehrere Betriebe prüfen.

Projektleiterin Thurau räumt ein, dass "Reisen für alle" etwas kostet, zeitintensiv und komplex ist, trage nicht gerade dazu bei, dass sich jetzt viele für eine Zertifizierung melden. "Sicherlich war Corona aber auch hinderlich, weil das Geld im Gastgewerbe jetzt erst einmal anders investiert wird, falls es überhaupt da ist", sagt sie. Aber man wolle das Projekt jetzt auch besser bewerben. Damit die Menschen - Anbieter und Nutzer - wissen, hier gibt es etwas mit einheitlichen Kriterien. Denn natürlich gibt es ansonsten viele private Angebote und Übersichten über beispielsweise barrierefreie Campingplätze - und beim Automobilclub ADAC.

Barrierefreie Wanderwege und Stadtführung in Leichter Sprache

Und wie sieht es beim "Reisen für alle"-Teilnehmer "Tourismus BW" aus? Können Menschen mit Handicap hier für Ausflüge in der Region fündig werden? Leichte Spaziergänge und Wanderungen ohne Hindernisse und große Höhenunterschiede und auf ebenen Wegen mit sicherem Untergrund listet "Tourismus BW" tatsächlich einige. Beispielsweise den Spaziergang durch die Altstadt von Waiblingen, den Fellbacher Besinnungsweg mit Zitaten aus Literatur, Religion oder Philosophie (beide Rems-Murr-Kreis) oder die Wanderung im Schönbuch inklusive Besuch beim Damwild.

Auf halbem Weg zwischen Hanweiler Sattel und Korber Kopf: Der Blick geht durch die Weinreben hindurch in das Remstal über Korb, Waiblingen, Fellbach hinweg bis hinüber zum Kappelberg.
Auf halbem Weg zwischen Hanweiler Sattel und Korber Kopf: Der Blick geht durch die Weinreben hindurch in das Remstal über Korb, Waiblingen, Fellbach hinweg bis hinüber zum Kappelberg.

In Waiblingen wird zudem eine Stadtführung in Leichter Sprache angeboten - laut "Tourismus BW" einmalig in ganz Baden-Württemberg. Als besonders mit dem Rollstuhl geeignete Tour wird der Landschaftspark Bruckenwasen in Plochingen (Kreis Esslingen) empfohlen oder der Panoramaweg in Winnenden-Bürg (Rems-Murr-Kreis). Stuttgart mit seinen Sehenswürdigkeiten auf Anhöhen - Killesberg, Teehaus, Karlshöhe, Grabkapelle, Schloss Solitude - schneidet da schlecht ab. Bleiben nur die Museen - mit schon relativ guter Barrierefreiheit, meint Oliver Reinl von ZLS. Hingegen sind Bereiche im SWR Fernsehturm, darunter die Aussichtsplattform, nicht oder nur teilweise barrierefrei.

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