Mit einer feierlichen Zeremonie im Linden-Museum Stuttgart hat das Land Baden-Württemberg sterbliche Überreste von Vorfahren der Maori und Moriori an Neuseeland zurückgegeben. Die drei menschlichen Schädel und ein aus menschlichen Knochen gefertigtes zeremonielles Essbesteck seien Teil der Sammlungen des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart und des Linden-Museums gewesen, teilte das Wissenschaftsministerium am Dienstag in Stuttgart mit. Sie wurden an Vertreterinnen und Vertreter der Maori-Gemeinschaft und des neuseeländischen Nationalmuseums, Te Papa Tongarewa, zurückgegeben.
Maori sind die Angehörigen der indigenen Bevölkerung Neuseelands. Die Moriori lebten auf Inseln einige hundert Meilen östlich von Neuseeland.
Ministerin: Baden-Württemberg kommt historischer Verantwortung nach
"Endlich können wir die Überreste unserer Vorfahren dorthin zurückbringen, wo sie hingehören", sagte Te Herekiekie Herewini vom Nationalmuseum laut Redemanuskript. Trotz der langen Zeit, in der die menschlichen Überreste keine Verbindung zu ihrer Heimat hatten, bleibe deren kulturelle Verbindung "durch den Lauf der Zeit und die Entfernung" bestehen.
Mit der Rückgabe komme das Land seiner historischen Verantwortung nach, erklärte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne). Es sei auch ihr persönlich ein großes Anliegen, die "zahlreichen menschlichen Überreste, die ohne Zustimmung der Angehörigen oder gar gewaltsam aus den ehemaligen Kolonialgebieten entwendet wurden", zurückzugeben. Für die Direktorin des Linden-Museums Stuttgart, Inés de Castro, ist die Repatriierung nach Neuseeland ein wichtiger Schritt in einem Prozess der Aufarbeitung kolonialen Unrechts.
Das Nationalmuseum Neuseeland zeigt hier eine Zeremonie, bei der menschliche Überreste ankamen, die aus Wien überführt wurden:
Weitere Museen geben menschliche Überreste zurück
Die Zeremonie war Teil einer größeren Initiative zur Rückführung von Vorfahren nach Neuseeland aus deutschen Museen. Erst am Freitag waren drei mumifizierte Ahnenköpfe der Maori aus den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim an Neuseeland zurückgegeben worden. Unter der Leitung von Te Herekiekie Herewini vom Nationalmuseum Neuseeland werden zudem menschliche Überreste vom Grassi-Museum Leipzig, der Universität Göttingen, dem Römer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim und dem Museum Wiesbaden nach Neuseeland rückgeführt.
Mit der Zeremonie in Stuttgart sind nach jetzigem Wissensstand alle menschlichen Überreste von Maori-Vorfahren an Vertreter ihres Heimatlandes Neuseeland zurückgegeben worden. Ein wichtiger Schritt, so Olschowski: "Es gibt den Menschen, den Ahnen ihre Würde zurück. Und uns die Möglichkeit, festzustellen: Das sind keine Objekte, die mal aus wissenschaftlicher Sicht analysiert wurden, sondern Ahnen. Und es gibt die Sichtbarkeit nach draußen, wir wollen diese Rückgaben, wo das gewünscht ist."
Gemeinderat hatte Rückgabe beschlossen Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim geben Maori-Köpfe zurück nach Neuseeland
Die Reiss-Engelhorn-Museen haben am Freitag in einer Zeremonie die Maori-Köpfe an eine Delegation aus Neuseeland zurückgegeben. Der Mannheimer Gemeinderat hatte das beschlossen.
Zusammenhang mit inhumanen, rassistisch motivierten Forschungen
Das Nationalmuseum Te Papa Tongarewa hatte sich im Herbst 2022 an das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gewandt mit der Bitte, menschliche Überreste aus den Sammlungen des Landes nach Neuseeland zu überführen. Laut Wissenschaftsministerium kamen diese auf sehr unterschiedliche Weise zwischen 1885 und 1956 nach Baden-Württemberg und in die Sammlungen. Oftmals habe dies im Zusammenhang mit inhumanen, rassistisch motivierten Forschungen gestanden. Deren Ziel sei es gewesen, Menschen anhand von Hautfarbe oder Schädelform in unterschiedliche Kategorien zu gruppieren, Entwicklungsstadien zu postulieren und eine angebliche Hierarchie menschlicher "Rassen" zu belegen.
Die Ahnenköpfe "Toi Moko" spielten und spielen eine wichtige Rolle in der spirituellen Welt der Maori. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden sie zur begehrten Handelsware. Als Raubgut kamen sie auf Umwegen in europäische Museen. Mit der Ankunft der Europäer begann eine starke Missionierung der indigenen Bevölkerung - die Sprache und Religion der Ureinwohner wurde verboten. Der Großteil der Bevölkerung konvertierte damals zum Christentum. Inzwischen entdecken junge Maori und Moriori die alten Traditionen ihres Volkes neu. Erst seit 1987 ist Maori die zweite Amtssprache Neuseelands. Die spirituelle Verbundenheit der Maori mit dem Land bringt die Verpflichtung mit sich, alles Leben in der Heimat zu ehren.
Bereits am 5. April hatte das Land menschliche Überreste indigener Hawaiianerinnen und Hawaiianer zurückgegeben.