Fast drei Jahre Verhandlungen und ein vorliegendes Angebot des Landes Baden-Württemberg: Jetzt will der Landkreis Böblingen das Krankenhaus-Areal an die Stadt verkaufen - für 40 Millionen Euro. Es umfasst das Krankenhaus, Wohngebäude und weitere Bauten. Landrat Roland Bernhard (parteilos) spricht in einer Pressemitteilung von einem gangbaren Weg für beide Seiten. Damit wird vermutlich eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete auf dem Gelände verhindert, die das Land dort gerne einrichten will.
Technologie- und Innovationscampus soll entstehen
"Ich bin glücklich darüber, dass wir uns auf einen gerechten Verkaufspreis und tragfähige Konditionen für beide Seiten einigen konnten", so Bernhard. Sobald das Flugfeldklinikum bezugsfertig und der Klinikbetrieb von der Waldburg auf das Flugfeld umgezogen sei, würde das Klinik-Areal frei.
Böblingens Oberbürgermeister Stefan Belz (Grüne) äußerte sich erleichtert. Jetzt könne die Stadt die Entwicklung des Areals nach eigenen Wünschen entwickeln. Nach derzeitigem Stand will die Stadt Böblingen auf dem Gelände einen Technologie- und Innovationscampus schaffen. Zuletzt hatte der Kreistag auf Antrag der CDU-Fraktion im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2023 den Beschluss gefasst, den Verkauf zum bestmöglichen Preis bis zum Ende des Jahres 2024 zu tätigen.
Wirtschaftsstandort statt Erstaufnahmestelle für Geflüchtete Böblingen: Krankenhaus-Areal für Investoren ausgeschrieben
Das bald leer stehende Krankenhaus-Areal in Böblingen soll für Investoren ausgeschrieben werden. Die Pläne für eine Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete liegen auf Eis.
Formale Beschlüsse zum Verkauf müssen noch gefasst werden
Das Land Baden-Württemberg hatte über 50 Millionen Euro für das Gelände geboten. Den endgültigen formalen Beschluss über den Verkauf sollen Kreistag und Gemeinderat in ihren jeweils nächsten Sitzungen in der kommenden Woche fassen. Noch Ende 2023 war das leerstehende Krankenhaus für Investoren ausgeschrieben gewesen. Seit dem Sommer gab es auch eine Online-Petition für einen Rückkauf durch die Stadt.
So reagieren die Kommunalpolitikerinnen und -politiker
Die meisten Fraktionen im Gemeinderat Böblingen haben die Entscheidung zuvor unterstützt und finden sie daher richtig. "Die Fraktion SPD und Linke freut sich sehr über den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen der Stadt Böblingen und dem Landkreis. Dadurch entsteht ein Ausgleich für die Gewerbeflächen, auf denen die Flugfeldklinik gebaut wird. Auch verlorengegangene Waldflächen, die der Landkreis bisher nicht ausgleichen konnte, könnten dort teilweise wiederaufgeforstet werden", sagte Fraktionsvorsitzende Gerlinde Feine dem SWR.
Es habe allerdings nicht im Vordergrund gestanden, eine LEA zu verhindern, so Feine, "sondern ein städtebaulich wichtiges Areal sinnvoll weiterzuentwickeln". In Böblingen werde viel für Geflüchtete getan, und ihre Fraktion werde sich auch weiterhin dafür einsetzen.
Willi Braumann, Fraktionsvorsitzender der Bürger für Böblingen, würde lieber sehen, wenn auf dem Gelände Geflüchtete untergebracht werden könnten. Er spricht von einer Erpressung durch Landrat und Oberbürgermeister, weil der ausgehandelte Kaufpreis unter dem Angebot des Landes liegt. "Udn das für ein Gelände, das die Stadt Böblingen dem Kreistag mal geschenkt hatte. Aufgrund der Tatsache, dass das Land 50 Millionen geboten hat und es jetzt um 40 Millionen Euro geht, werden wir aber im Gemeinderat zustimmen", sagte er dem SWR.
"Wir sind mit dem Ergebnis, dass die Stadt Böblingen das Grundstück erwerben und gezielt nun entwickeln kann, sehr zufrieden", so Detlef Gurgel, Fraktionsvorsitzender der FDP. Der Kaufpreis liege zwar erheblich über dem, was die Fraktion für angemessen erachtet hätte. Am Ende sei aber ein Kompromiss gefunden worden, "mit dem wir leben können. Das ehemalige Krankenhaus-Areal ist die letzte große zusammenhängende Fläche, die wir in Böblingen noch zur Verfügung haben und die wir gezielt dazu nutzen wollen, Gewerbe und Arbeitsplätze anzusiedeln". Jetzt gelte es, keine Zeit zu verlieren.
Kann vielleicht doch noch eine LEA entstehen?
Aus dem Ministerium für Justiz und Migration heißt es, eine Inbetriebnahme einer Einrichtung der Erstaufnahme setze die Überlassung des Grundstücks durch den Eigentümer voraus - durch Erwerb oder Vermietung. "Das Land kann die Voraussetzungen für die Bebaubarkeit des Grundstücks im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens für eine entsprechende Einrichtung auch gegen den Willen der Standortkommune schaffen. Dem Eigentümer bleibt es demgegenüber grundsätzlich unbenommen, über das Grundstück zu verfügen", so ein Sprecher.
Für Dorothea Bauer, Fraktionsvorsitzende der Grünen, ist durch den Verkauf ein Zugriff auf das Gelände durch das Land so gut wie ausgeschlossen: "Durch die Eintragung der Stadt Böblingen im Grundbuch ist das eher unwahrscheinlich. Ausserdem hoffen wir doch sehr, dass das Land Baden-Württemberg die Vision einer 'Silicon Älley' vom Quanten-Rechenzentrum der IBM in Ehningen über den KI-Innovationspark auf dem heutigen KrankenhausAreal bis nach Stuttgart unterstützt, weil man auch in Stuttgart die Bedeutung für das Land und die Region erkennt." Zudem habe der Oberbürgermeister mit den lokalen Akteuren aus der Wirtschaft gute Gespräche geführt, aus denen einfach klar wurde, dass man dieses Gewerbegebiet benötige und was da entstehen soll.
Ähnlich sieht es ihre Kollegin von den Freien Wählern, Janina Dinkelaker. "Das alte Krankenhaus-Areal bietet sich für eine gewerbliche Nutzung hervorragend an. Hier könnten sich zukunftsweisende Branchen, etwa Medizintechnik, IT oder Start-ups in Form eines Campus ansiedeln. Für die Freien Wähler war immer klar, dass dieses Areal in hervorragender Lage gewinnbringend für den Wirtschaftsstandort Böblingen entwickelt werden muss. Dieses Projekt schafft eine wertvolle Grundlage für weiteres Wachstum. Deshalb waren wir sehr überrascht über den Vorstoß des Landes, ausgerechnet hier eine LEA zu errichten. Die Resonanz aus der Bevölkerung auf diesen Vorschlag, unter anderem in Form der Petition, hat unser Ansinnen bestätigt. Daher haben wir den Kauf des Areals durch die Stadt stets unterstützt."
Aus Sicht der CDU habe das Land nun keinen Zugriff auf das Gelände mehr. "Eine kommunale Planung, die schon so weit gediehen ist, könnte nur unter außergewöhnlichen Umständen vom Land außer Kraft gesetzt werden, was auch einen längeren rechtlichen Prozess nach sich ziehen würde", so Fraktionsvorsitzender Thorsten Breitfeld.
"Ich denke, dass der öffentliche Druck über die Petition wie auch die entsprechenden Anträge der CDU-Fraktionen im Kreistag und im Gemeinderat in diesem Prozess eine entscheidende Rolle gespielt haben", sagte Breitfeld.