Das Amtsgericht Würzburg hat am Montag nach Angaben der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl für den AfD-Politiker Daniel Halemba unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Vorausgegangen waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den 22-Jährigen wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Halemba müsse sich nun einmal wöchentlich an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden, sagte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Zudem sei ihm der Kontakt zu Mitgliedern der "Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg" untersagt.
Der per Haftbefehl gesuchte, neu in den bayerischen Landtag gewählte AfD-Politiker Daniel Halemba war zuvor in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) verhaftet worden. Das bestätigte der Würzburger Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach dem SWR am Montag. Der 22-Jährige sei gegen 8 Uhr gefasst worden. Die Ermittler kamen Halemba mittels Fahndungsmaßnahmen wie Handyortung auf die Spur, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Bei wem sich Halemba in Kirchheim unweit von Stuttgart aufhielt, bleibt zunächst unklar.
Staatsanwaltschaft prüft Beschwerde im Fall Halemba
Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat nach der Außervollzugsetzung des Haftbefehls noch nicht entschieden, ob sie Beschwerde einlegen wird. Das teilte Oberstaatsanwalt Seebach am Dienstag mit. "Wir nehmen uns dafür wahrscheinlich ein paar Tage Zeit."
Sollte sich die Staatsanwaltschaft sich dafür entscheiden, müsse sich das Amtsgericht Würzburg erneut mit der Sache befassen und prüfen, ob der 22-jährige Daniel Halemba in Untersuchungshaft genommen werden soll.
Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Gegen Halemba werde wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen ermittelt. Der Anfangsverdacht habe sich nach der Auswertung von Beweismitteln erhärtet.
Halemba war seit dem Erlass des Haftbefehls zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Sein Rechtsanwalt Dubravko Mandic legte Beschwerde gegen den Haftbefehl seines Mandanten ein.
Mandic sagte darüber hinaus, dass Halemba auf der Flucht gewesen sei und er mit ihm darüber gesprochen habe, ob er sich der Polizei stellen sollte. "Wir haben hin und her diskutiert und beraten. Er hätte sich auch gestellt heute. Jetzt kam ihm die Polizei zuvor. Im Ergebnis ist das kein Unterschied."
Anwalt schaltet Verfassungsgerichtshof ein
Der Anwalt schaltete auch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Mandic hatte einen Erlass auf eine sogenannte einstweilige Anordnung gestellt, sagte ein Gerichtssprecher am Montag in München. Der Verfassungsgerichtshof kann eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist.
Zum Inhalt wollte sich der Sprecher nicht äußern, Antragsgegner seien die bayerische Staatsregierung und das bayerische Justizministerium. Halemba müsse die An- und Abreise in den Landtag gewährt werden, forderte sein Anwalt. "Er ist gewählter Abgeordneter, und er hat meines Erachtens einen Anspruch gegen die Regierung und das Justizministerium, dass die ihre Beamten anweisen, dass die den Haftbefehl nicht mehr vollstrecken", so Mandic.
Mandic war selbst in AfD aktiv
Bereits am Samstagabend hatte Mandic die Vorwürfe in einer Mitteilung zurückgewiesen: "Nach vorläufiger Würdigung ist an sämtlichen Vorwürfen gegen die Mitglieder der Prager Teutonia nichts dran." Mandic war in der Vergangenheit selbst Mitglied der AfD sowie der mittlerweile aufgelösten völkisch-nationalistischen und rechtsextremen Gruppierung "der Flügel" innerhalb der Partei. Mit seinem Austritt aus der AfD 2021 kam Mandic einem gegen ihn laufenden Parteiausschlussverfahren zuvor.
Mandic war außerdem Mitglied der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia, die im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) organisiert ist. Berichten zufolge soll Mandic 2022 endgültig aus der Saxo-Silesia ausgeschlossen worden sein. Des Weiteren ist Mandic wegen gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.
AfD-Fraktion sieht "staatliche Repression"
Heftige Kritik an der Justiz kam von der Vorsitzenden der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag, Katrin Ebner-Steiner. "Mit einem herbeikonstruierten Haftgrund wird erheblich und unter fadenscheinigen Gründen in die Rechte der Opposition eingegriffen", teilte Ebner-Steiner am Montag vor Beginn einer Sitzung der AfD-Fraktion im Landtag mit. Die "staatliche Repression" habe damit "eine neue Qualität" erreicht. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft Würzburg sei "ein Armutszeugnis" für die Demokratie. Ihre Fraktion werde sich davon nicht einschüchtern lassen, so Ebner-Steiner.
AfD-Fraktionsvize Martin Böhm betonte zwar, er wolle zu dem laufenden Verfahren nichts sagen, in seinen Augen sei es aber "zutiefst undemokratisch, einen jungen Herrn von seinem Amt als Abgeordneter auf die Art und Weise fernzuhalten". Die Fraktion stehe "vollumfänglich" hinter Halemba.
Halemba spricht in Video von "Jagd auf demokratische Opposition"
In einem Video, das Halembas Anwalt Mandic am Montag bei X (ehemals Twitter) veröffentlichte, bezeichnete auch Halemba selbst den Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Würzburg als Repression der bayerischen Staatsregierung gegen die AfD. "Man wollte mich, einen gewählten Landtagsabgeordneten, drei Tage vor der konstituierenden Sitzung mit einem völlig willkürlichen Haftbefehl einsperren", sagte Halemba darin. "Das ist ein weiterer trauriger Höhepunkt der Jagd der CSU auf die demokratische Opposition."
Die AfD wird in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Behörde darf die Partei nicht nur beobachten, sondern auch die Öffentlichkeit über ihre Erkenntnisse informieren - das hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof in München zuletzt im September bestätigt. Der Verfassungsschutz gehe zu Recht davon aus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD bestünden, begründete das Gericht seine Entscheidung.
Abgeordneter ist Mitglied einer Burschenschaft
Der 22-jährige Halemba ist nach eigenen Angaben seit 2021 Mitglied der "Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg", bei der es im September eine Razzia gab. Laut Staatsanwaltschaft gab es den Verdacht, dass sich im Verbindungshaus der Burschenschaft Gegenstände mit Kennzeichen der Partei der Nationalsozialisten NSDAP sowie Aufkleber und Schriften rassistischer Natur befinden könnten.
Die sichergestellten Gegenstände seien mittlerweile fast alle ausgewertet, sagte Oberstaatsanwalt Seebach. "Die Vorwürfe haben sich für uns erhärtet." Die Auswertung von Datenträgern laufe noch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen vier weitere Mitglieder der Studentenverbindung, unter anderem wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Die Verbindung hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert
Bayerische Landtagspräsidentin weist Vorwürfe zurück
Abgeordnete genießen grundsätzlich Immunität. Diese greift aber erst mit der konstituierenden Sitzung. Der 22 Jahre alte Halemba ist der jüngste Politiker, der in den bayerischen Landtag gewählt wurde. Er stammt aus dem baden-württembergischen Wertheim (Main-Tauber-Kreis), hat dort sein Abitur gemacht und war einige Zeit Schriftführer der AfD Main-Tauber.
Die frisch wiedergewählte Landtagspräsidentin Ilse Aigner nannte die Festnahme und speziell die AfD-Reaktion in ihrer Antrittsrede etwas "nie Dagewesenes". "Weder das Parlament, noch ich als Landtagspräsidentin können Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Justiz. Das ist eine der Grundfesten der Demokratie", stellte sie klar. Die Reaktion der AfD sei deshalb ein "gezielter Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie". Es seien "Verschwörungsmythen".