Fachleute entwickeln Hypothesen über Ursachen

Auch in Wiesloch mehr psychisch kranke Straftäter

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Christian Scharff
Christian Scharff

Seit 2018 steigt die Zahl psychisch kranker Straftäter in den psychiatrischen Kliniken des Landes, auch in Wiesloch. Fachleute rätseln über Gründe und entwickeln Erklärungsansätze.

Die Zahl der Fälle steigt. Immer mehr psychisch Kranke stehen wegen teils sehr schwerer Straftaten vor Gericht, die Fälle erregen großes Aufsehen. Die Taten sind oft grausam oder nur schwer zu erklären. Die Täter sind kranke Menschen, von denen viele in das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) in den Maßregelvollzug eingewiesen werden.

Häufigste Erkrankung: Schizophrenie

In Wiesloch im PZN werden psychisch kranke Straftäter nach den Vorgaben des Strafrechtsparagraphen 63 untergebracht. Es sind zu fast 80 Prozent an Schizophrenie erkrankte Menschen, so die Verantwortlichen.

Schizophrenie
Seit ungefähr vier Jahren kämpfen die Psychiatrien in Deutschland mit steigenden Patientenzahlen

Jedes Jahr kommen mehr. Die steigenden Zahlen betreffen nicht nur Wiesloch, sondern ganz Deutschland. In Wiesloch wurde deshalb erweitert, im September kam die umgebaute Station 17 für den Maßregelvollzug mit 24 Betten hinzu.

Die Rolle der Selbstbestimmung

Die Gründe für den Anstieg der Zahlen sind nicht klar. Fachleute wie Christian Oberbauer, Chefarzt der forensischen Abteilung im Wieslocher PZN, sowie Fachkolleginnen und Kollegen aus Deutschland vermuten, dass die stärkere Selbstbestimmung von Patienten eine große Rolle spielt.

Die Verankerung des Rechts auf mehr Selbstbestimmung im Gesetz könne dazu führen, dass akut Erkrankte nicht mehr gezwungen werden können, sich behandeln zu lassen oder Medikamente einzunehmen. Sie blieben längere Zeit akut krank und begingen dann Straftaten.

Fast 40 Prozent Ausländer

Fast 40 Prozent der psychisch kranken Straftäter sind Ausländer, sagt die Statistik des PZN Wiesloch. Möglicherweise kommen mehr psychisch kranke Menschen nach Deutschland, als dem normalen Bevölkerungsschnitt entspricht. Denn weltweit, das ist anerkannter Stand der Forschung, erkrankt rund ein Prozent der Bevölkerung an Schizophrenie, egal ob Europa, Afrika oder Asien.

Fluchterfahrungen könnten theoretisch als Stressoren bei genetisch vorbelasteten Menschen schizophrene Phasen auslösen, erwägt Christian Oberbauer. Doch seien die Folgen von traumatischen Fluchterfahrungen dann eher posttraumatische Störungen. Die Hypothese geht also dahin, dass mehr Menschen mit einer schizophrenen Grunderkrankung ihre Länder verlassen, weil sie dort wegen ihrer Erkrankung weniger verwurzelt oder in die Gesellschaft eingebettet sind. Oder sie unterziehen sich deutlich seltener einer Behandlung.

Die Wenigsten davon werden straffällig, aber bei einer bestimmten, nicht oder unzureichend behandelten Untergruppe ist das Aggressionspotential um das fünf- bis sechsfache erhöht, informiert Christian Oberbauer im Gespräch mit dem SWR.

Schizophrenie
Ein Bild von Lucas Krieg aus Nürnberg, der Zeichnungen zu Klarträumen anfertigt. Klarträume werden in der Forschung verwendet, um die Krankheit Schizophrenie besser zu verstehen

Wiesloch spezialisiert auf Paragraph 63

Der Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter nach dem Paragraphen 63 des Strafgesetzbuchs ist prinzipiell ohne zeitliche Begrenzung. Die durchschnittliche Verweildauer in Deutschland beträgt knapp zehn Jahre.

Anderer Fall: Suchtkranke Straftäter nach 64

Ein rechtlich klar getrennter Fall ist die Unterbringung von straffällig gewordenen suchtkranken Patienten nach Paragraph 64 des Strafgesetzbuchs, wie zum Beispiel die geplante Unterbringung im Ex-Gefängnis Fauler Pelz in Heidelberg. Auch die Zahl der suchtkranken Straftäter steigt weiter.

Die Nöte des Landes Baden-Württemberg, genügend Plätze zur Verfügung zu stellen, sprechen Bände. Die Ursachen für den Anstieg der Zahlen suchtkranker Straftäter sind vielfältig. Suchtkranke Straftäter dürfen maximal zwei Jahre untergebracht werden.

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