"Ich wusste nie, warum ich keine Freude empfinde und was mit mir falsch war!", sagt der Transmann Jan Heinecke. Der Blick in den Spiegel war eine tägliche Qual für Jan Heinecke. Im frühen Jugendalter ist er bereits von Zuhause ausgezogen. Damals hieß er noch Jessica und war eine Frau - gefühlt wie eine hat er sich aber nie. Mit 16 Jahren lernte er seinen ersten Freund kennen und wurde mit seinem ersten Kind schwanger. Mittlerweile hat Jan Heinecke vier Kinder im Alter zwischen 22 und 30 Jahren. Zwei Söhne und zwei Töchter, alle von ihm ausgetragen. Verliebt war er nie, auch Intimitäten haben ihm als Frau keinen Spaß gemacht. Jan Heinecke lebte nach der Norm der Gesellschaft. Er wollte das klassische Familienleben nachspielen:
Einen Bezug zu seinem Körper hatte er nie. Das Verhalten einer Frau, die Gestik und Mimik hat er von seiner besten Freundin gespiegelt. Er fühlte sich immer fremd. Fremd mit sich selbst, fremd gegenüber anderen und in dieser Welt.
Jan Heinecke 2008 und 2024:
Die Isolation brachte den Transmann fast um
Der 46-jährige Transmann fühlte sich jeden Tag alleine. Fünf Suizidversuche hat er hinter sich, erzählt er. Sein letzter Versuch 2008 habe fast geklappt. In diesem Jahr habe er so viele Tabletten geschluckt, dass die Ärzte bereits die Maschinen abschalten wollten. Im letzten Moment habe er aber angefangen, selbstständig zu atmen - es war seine letzte Chance, doch noch zu leben.
Von da an erkannte er, was mit ihm nicht stimmte. Er war gefangen im falschen Körper, und das war ihm nie richtig bewusst. Erst nach seinem Suizidversuch mit 40 Jahren entschied er sich dazu, eine Geschlechtsangleichung vorzunehmen.
Jan Heinecke erzählt über seine Transformation im Video:
Der erste Blick als Mann in den Spiegel: Ein Befreiungsschlag
Der Transmann war der erste in der Region, der sich 2018 als Frau zum Mann angleichen ließ. Jan Heinecke hat sich demnach die Brüste abnehmen lassen: "Endlich kein Gebimsel mehr!", so formuliert er es. Seine Brust wurde zu einer Männerbrust geformt und die weiblichen Geschlechtsteile entfernt. Seit sechs Jahren fühlt er sich nun jeden Tag wie neu geboren.
Seine vier Kinder lieben ihre Mama und stehen zu 100 Prozent hinter ihm. Jan Heinecke besteht außerdem darauf, dass er die Mutter ist und nicht der Vater. Er ist stolz darauf seine Kinder selbst ausgetragen zu haben. Für ihn ist die Rolle als Mutter mit mehr Bindung und Verantwortung verbunden, als es als Papa der Fall wäre: "Väter können kommen und gehen, wann sie wollen. Ich war immer alleinerziehende Mutter von vier Kindern, welcher Vater macht das schon?", so Jan Heinecke.
Transmann gründete queeren Stammtisch
Vor zwei Jahren hat der Transmann den Stammtisch "MENSCH" im Mehrgenerationenhaus in Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) gegründet. Regelmäßig kommen dort queere Menschen zusammen, denen Jan Heinecke helfen möchte. Dort haben die Leute einen "safe space", sprechen über ihre Erfahrungen und tauschen sich aus. Ein queeres Pärchen hat sich in der Gruppe auch bereits kennen und lieben gelernt. Neben seinem Beruf als Bestatter geht er in seiner neuen Rolle als Mann und LGBTQIA+-Unterstützer total auf.
Für den 46-Jährigen spielt das Geschlecht bei der Partnersuche nun keine Rolle mehr. Jan Heinecke war es einfach wichtig, sich in seinem eigenen Körper wohl und zugehörig zu fühlen. Weil er sich jetzt selbst liebt, kann er auch jemand anderen lieben, dabei spielen für ihn nur das Innenleben und die Emotionen eine Rolle und nicht, was ein Mensch "oben- und untenrum" hat. Bisher hat er seine große Liebe noch nicht gefunden, aber er ist hoffnungsvoll und glaubt endlich daran.