In Zukunft soll eine staatliche Kennzeichnung dafür sorgen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher genauer wissen, woher ihr Fleisch kommt. Diese wird erstmal nur für Schweinefleisch aus der Massentierhaltung zur Pflicht. Das Ganze soll ab Herbst greifen - mit einer Übergangsphase von zwei Jahren. Bisher findet man auf Verpackungen im Fleischregal verschiedene Labels wie "Haltungsform", "Für mehr Tierwohl" oder BIO. Diese sind allerdings alle freiwillig.
Weinheimer hält immer weniger Schweine
Der Betrieb der Familie Hilkert bei Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) hält aktuell 480 Schweine in einem Außenklimastall. Dieser hat Anfang der 2000er Jahre mal 350.000 Euro gekostet und ist erst dieses Jahr abbezahlt. Die Schweine sind nicht Bio, aber werden zwei Mal im Jahr kontrolliert und von der "Initiative Tierwohl" zertifiziert. Vermarktet werden sie über eine Viehgenossenschaft. Um bei der neuen staatlichen Kennzeichnung genauso gut eingestuft zu werden wie jetzt, müsste Hilkert seinen Stall weiter aufwerten und dafür ordentlich in die Tasche greifen.
Meiner Einschätzung nach wären das mindestens 200.000 Euro für die ganze Strohkette, für die Außenanlage im Stall.
Früher besaß der Betrieb Hilkert rund 1.500 Schweine. 40 davon wurden wöchentlich in Mannheim oder Hemsbach geschlachtet - "nachhaltig und stressfrei für die Tiere", sagt Walter Hilkert. Vor acht Jahren hat er die Zahl der Tiere reduziert. Die Vermarktungsgesellschaft rät ihm bei der neuen Kennzeichnung mitzumachen, aber er steht dem kritisch gegenüber: "Die Bürokratie wird so hoch, dass man sich davor scheut. Was bringt es mir, dass ein Viertel der Kosten erstattet werden."

Sohn will von Schweinen auf Hühner umsteigen
Der 64-Jährige will die Schweine noch so lange wie möglich behalten. Sein Sohn Philipp, der neben seinem Teilzeitjob als Land- und Baumaschinenmechaniker im Familienbetrieb mitanpackt, will die Schweinemast nicht weiterführen. Er sieht in Hühnern seine Zukunft. Seit 2016 betreiben die Hilkerts schon eine mobile Hühnerstallhaltung - über 1.800 Hühner in vier Ställen sind schon auf dem Hof.
Bei den Eiern kann ich den Preis selber bestimmen und bekomme den Erlös, den ich auch brauche.
Der 36-Jährige erinnert sich, wie der Familienbetrieb in manchen Jahren draufgelegt hat oder "null auf null" rausgegangen ist. Die Hilkerts sehen das Problem bei den Konsumenten. "Die Verbraucher fordern, dass wir noch nachhaltiger und ökologischer produzieren sollen, aber sie sind nicht bereit dafür mehr auszugeben", sagt der Vater. Der Sohn ergänzt: "Die Verbraucher schauen, dass sie möglichst viel für günstig bekommen und das am besten noch mit dem höchsten Tierwohlstandard."

Kreisbauernverband Rhein-Neckar: Kritik an neuer Tierhaltungskennzeichnung
In ganz Baden-Württemberg werden bis zu 30 Prozent der Schweinehalter in den nächsten Jahren aufhören. Das prognostiziert Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar. Der Landwirt aus Mannheim ist auch sicher, dass deswegen nicht weniger Schweinefleisch gegessen wird, sondern nur anders produziert wird. Aus seiner Sicht sei viel zu viel von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Es gehe nur um Schweine aus der Massentierhaltung - nicht bedacht worden seien Ferkel, Produkte aus dem Ausland oder die Gastronomie.
Was uns besonders missfällt, dass sämtliche ausländische Produkte ausgenommen werden.
Auch die finanzielle Unterstützung der Regierung findet Wolfgang Guckert unzulänglich, da die Anforderungen für Landwirte und der Bürokratieaufwand steigen. Zudem sei es utopisch, dass Landwirte an der Ladentheke die Preise erreichen, die sie bräuchten, um alle Kosten zu decken.

Mehr Tierwohl im Kühlregal dank Kennzeichnung?
Laut Ernährungsreport 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind 89 Prozent der Menschen in Deutschland Informationen zu Haltungsbedingungen tatsächlich wichtig. Für Fleisch aus artgerechter Haltung müssen Verbraucher allerdings tiefer in die Tasche greifen. Doch der "Abschied vom Billigfleisch" zieht sich, so eine Befragung 2022 der Umweltorganisation Greenpeace. Der Anteil der mit Haltungsform 1 gekennzeichneten Frischfleischprodukte habe sich zwar von 2021 bis 2022 fast halbiert - auf 19 Prozent. Doch fast 70 Prozent entfallen noch immer auf Haltungsform 2 (Stallhaltung Plus).