Reinhold Götz sitzt für die SPD im Mannheimer Gemeinderat. Er ist Mitglied in mehreren Ausschüssen und hat die Präsentation der Mängelliste zum Fahrlachtunnel am Dienstag mitverfolgt.
SWR Aktuell: Muss man bei der Ursachenforschung vor allem auf das frühere Baudezernat schauen, auf Lothar Quast?
Reinhold Götz: Nein, das wäre nach unserer Auffassung zu kurz gesprungen. Man hat festgestellt, es gibt ein gesamtorganisatorisches Versagen. Insofern trifft das Versagen viele oder einige Organisationseinheiten bei der Stadt, die auch unterschiedlichen Zuständigkeiten unterlegen haben. Also es gibt keine klare Verantwortlichkeit. Das ist einer der Punkte, den man als Mangel festgestellt hat, dass nicht im Vorhinein eine klare Verantwortlichkeit für dieses Projekt "Fahrlachtunnel" festgelegt wurde.
SWR Aktuell: Woran lag das Ihrer Meinung nach?
Götz: Das ist schwer zu beurteilen. Das liegt jetzt 40 Jahre zurück und hat auch im zeitlichen Verlauf einige Veränderungen vorgenommen. Es sind Zuständigkeiten verändert worden in dieser Zeit. Ich glaube, es bringt uns letztendlich nicht weiter, jetzt nachzuforschen, wer welchen Anteil hat. Zumal die handelnden Personen nicht mehr in der Funktion sind und zum Teil gar nicht mehr leben, die man unter Umständen noch befragen könnte, wie das damals alles gelaufen ist.
SWR Aktuell: Stellen Sie sich einfach mal vor, da wäre was passiert. Es hätte einen großen Brand gegeben beispielsweise.
Götz: Ja, das wäre eine Katastrophe gewesen. Und da hätten sich mit Sicherheit dann Gerichte auch damit auseinandergesetzt. Wir haben jetzt kein gerichtliches Verfahren, sondern wir haben jetzt eine Aufarbeitung der Verwaltung zu diesem Vorgang. Und ich finde in erstaunlich transparenter Form, die Unterlagen sind zwischenzeitlich öffentlich. Man hat nichts beschönigt, sondern den Finger in die Wunde legt, aber auch klar gesagt, welche Konsequenzen man daraus zieht.
SWR Aktuell: Was wären denn Ihre Konsequenzen?
Götz: Die erste Konsequenz wäre, dass man von vornherein klare Projektverantwortlichkeiten und Zuständigkeiten festlegen muss, also klar sagen muss, wer federführend ist und die Verantwortung für die Umsetzung, Unterhaltung und Wartung des Projekts trägt. Man muss verbindliche Prozessbeschreibungen vornehmen und Strukturen festlegen, wie so etwas dokumentiert wird. Und man muss dann natürlich auch, ich sage jetzt mal all die Dinge, die in den gesetzlichen Vorschriften festgelegt sind, aber auch zukünftig verändert werden, innerhalb eines Projektes umsetzen.
Was sicherlich sehr hilfreich gewesen wäre, weil dann natürlich der Tunnelverantwortliche auch Durchgriffsrechte gehabt hätte auf bestimmte Verwaltungseinheiten innerhalb der Stadt.
SWR Aktuell: Die Gesamtverantwortung liegt ja in der Regel beim Chef des Ganzen. Das wäre dann in der Zwischenzeit Oberbürgermeister Kurz.
Götz: Erstens war der Oberbürgermeister zum Zeitpunkt der Errichtung – und da liegen ja die meisten Mängel – nicht Oberbürgermeister. Und Ich bitte um Verständnis: Wir haben eine solche Vielzahl von Projekten in unserer Stadt, und es wurde ja festgestellt, dass man bei der Umsetzung dann von der Planung abgewichen ist – das kann ein Oberbürgermeister, egal welcher Partei er angehört, nicht im Detail kontrollieren. Dazu gibt es Verantwortlichkeiten in der Stadt. Wir sind eine Organisationseinheit mit über 8.000 Beschäftigten in der Kernverwaltung aufgrund der Vielzahl unserer Aufgaben, die wir haben. Also stellen Sie sich mal vor, ein Oberbürgermeister müsste sich in der Detailtiefe um all diese Dinge kümmern. Der könnte seine Aufgabe nicht mehr wahrnehmen.
SWR Aktuell: Das heißt, als 2019/2020 die ersten größeren Mängel im Fahrlachtunnel festgestellt worden sind, ist Herr Kurz mal kurz vom Sessel gefallen?
Götz: Das müssen Sie Herrn Kurz fragen. Ich vermute mal, dass er aber schon sehr überrascht war über die ersten Ergebnisse, die ihm damals vorgelegt wurden. Dank der schnellen Entscheidung, den Fahrlachtunnel zu sperren, hat er verhindert, dass menschliches Leben gefährdet wird. Und das, fand ich damals, war eine sehr kluge und richtige Entscheidung, obwohl sie natürlich umgekehrt dazu geführt hat, dass sich die Verkehrssituation in Mannheim dadurch deutlich verschlechtert hat.