Schüler recherchierten Schicksal der 81-Jährigen

Reichspogromnacht in Buchen: Nachbar erschoss Jüdin Susanna Stern

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100 Menschen verloren während der NS-Zeit in Buchen ihr Leben. Mit einer eigenen Homepage will die Stadt ihrer gedenken. Schüler erforschten das Schicksal der Jüdin Susanna Stern.

Am 9. November 1938 eröffneten die Nazis die systematische Jagd auf Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich. Rund 1.400 Synagogen und religiöse Versammlungsstätten wurden zerstört, tausende Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe fielen dem Mob zum Opfer. Hunderte von Menschen verloren ihr Leben. Auch die Jüdin Susanna Stern aus Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) war unter den Opfern. Schülerinnen der Helene-Weber-Schule haben ihr Schicksal jetzt erforscht.

Die Jugendlichen hatten sich vor Monaten gemeinsam mit dem Stadtarchivar von Buchen auf Spurensuche begeben. Sie wollten herausfinden, was genau in jener Nacht mit der Jüdin Susanne Stern geschah. Das Ergebnis war für die Schülerinnen ein Schock.

Wenn man sich mit sowas im Unterricht beschäftigt, ist das ein Gesicht unter vielen Zahlen. Geht es aber um einzelne Personen, kann man sich besser vorstellen, wie schlimm das war.

Susanna Stern lebte damals in Eberstadt, einem Stadtteil von Buchen. Hier betrieb die Witwe und Mutter von vier Söhnen einen Gemischtwarenladen. Die Jüdin war 81 Jahre alt, als sie in den frühen Morgenstunden des 10. November erschossen wurde.

Mörder von Susanna Stern lebt in der Nachbarschaft

Der Mörder war einer ihrer Nachbarn, fanden die Schülerinnen heraus, der NSDAP-Ortsgruppenleiter Adolf Heinrich Frey. Er war gerade mal 26 Jahre alt, als er sich entschloss, der Bürgerin mit seiner Pistole das Leben zu nehmen. Sie hatte sich geweigert, ihm in das Spritzenhaus der Feuerwehr zu folgen. Hier sperrte Frey die noch im Ort lebenden Jüdinnen und Juden ein, um sie zu schikanieren. Ein "grausames Vorgehen", sind sich die Schülerinnen einig.

Der Täter ist ja mit ihr aufgewachsen. Er kannte sie von klein auf. Unvorstellbar - dass er sie einfach erschießt.

Gedenken Pogromnacht in Buchen
Auf diesem Friedhof findet die Jüdin Susanna Stern ihre letzte Ruhe.

Adolf Heinrich Frey musste sich für seine Tat nie vor einem Gericht rechtfertigen, er kam ungeschoren davon. Nach dem Krieg tauchte er unter, 1951 nahm er sich das Leben. Die heutige Ortsvorsteherin Esther Vasco findet es richtig, die Erinnerung an den 9. November 1938 in Eberstadt wach zu halten.

Es ist einfach ein Teil unserer Geschichte, es gehört dazu und wir können es nicht verleugnen.

Gedenken Pogromnacht in Buchen
Gedenktafel in Buchen

Das Schicksal von Susanna Stern soll nicht in Vergessenheit geraten. Auf einer neuen Website mit dem Titel "buchen-gedenkt.de" erinnert die Stadt an ihre Ermordung in der Reichspogromnacht. Auch die Lebensgeschichten von 99 weiteren Opfern der NS-Zeit aus Buchen sollen auf der Homepage ihren Platz finden.

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SWR

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