Amtsantritt am 4. August

Mannheims neuer OB Specht setzt auf "Koalition der Willigen"

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Holger Neumann
Holger Neumann
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Matthias Wiest
Matthias Wiest

Am Tag nach dem Mannheimer Wahl-Krimi geht Wahlsieger Christian Specht (CDU) auf seine politischen Gegner zu. Er braucht Mehrheiten, um seine Ziele durchzusetzen. Ein Interview.

Mannheims neuer Oberbürgermeister Christian Specht hat Historisches geschafft: Erstmals seit mehreren Jahrzehnten wird die Mannheimer Stadtverwaltung von einem CDU-Politiker geführt. Was er in den kommenden acht Jahren vorhat, welche Schwerpunkte er setzen will und wie er sich die Zusammenarbeit mit dem grün-rot dominierten Mannheimer Gemeinderat vorstellt, erzählt er im Interview mit SWR Aktuell.

SWR Aktuell: Herr Specht, das war ein wirklicher Wahl-Krimi. Wie haben Sie diesen Abend erlebt und wie fühlt es sich jetzt für Sie an?

Christian Specht: Natürlich ist die Erleichterung jetzt da. Das war sehr, sehr spannend. Nicht nur die Außentemperaturen waren heiß, sondern auch wir kamen richtig ins Schwitzen. Es war eigentlich klar, dass es ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen wird.

"Mir war immer klar, das wird sehr eng am Ende des Tages."

Das habe ich auch immer vorhergesagt, nachdem die SPD, die Grünen und DIE LINKE dazu aufgerufen haben, nicht CDU und nicht Specht zu wählen.

SWR Aktuell: Wie war es, als das Ergebnis dann da war? Was haben Sie empfunden in der Sekunde?

Specht: Das war natürlich eine große Erleichterung, aber auch Dankbarkeit und Freude für diejenigen, die mich jetzt seit sechs Monaten fast mittragen. Wir haben ja ein breites Bündnis aus Freien Wählern, FDP und CDU, die zum ersten Mal geschlossen in diesen Wahlkampf mit einem Kandidaten gegangen sind, aber auch für die vielen, die draußen mitgeholfen haben. Da steckt viel Energie von vielen drin, die gesagt haben: "Wir wollen diesen Wechsel in Mannheim nach so vielen Jahrzehnten." Deswegen auch ein Stück weit Dankbarkeit für diese Unterstützung.

SWR Aktuell: Es ist zweifelsohne ein historischer Sieg, den Sie für die CDU eingefahren haben. Zum ersten Mal seit 70 Jahren ist also ein CDU-Mann Rathauschef. Es gibt aber einen Wermutstropfen: Die Wahlbeteiligung war schon im ersten Wahlgang mit 32,2 Prozent sehr niedrig, jetzt waren es 30,9 Prozent, also noch mal weniger. Was sagen diese Zahlen aus Ihrer Sicht aus?

Specht: Zunächst einmal haben wir, also alle Kandidaten, uns ja schon bemüht, nach dem ersten Wahlgang noch einmal zu mobilisieren. Und wir wissen natürlich, dass es zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang meistens nochmal zwei, drei Prozent schlechter wird. So war es vor acht Jahren bei der letzten Oberbürgermeisterwahl, und dieser Trend setzt sich scheinbar wieder fort. Hinzu kommt: Es war natürlich extrem heiß. Und es gab nicht das polarisierende Thema, sondern es ging wirklich darum: Welche Persönlichkeit ist diejenige, der man es zutraut, die nächsten Jahre diese Stadt zu führen und nach vorne zu bringen. Das ist vielleicht auch nicht immer das Thema, das die Massen mobilisiert.

SWR Aktuell: Könnte die Aussage dieser Zahlen auch sein: Die Menschen interessieren sich nicht für Kommunalpolitik?

Specht: Ja, das haben wir auch gemerkt, dass es nicht ganz einfach ist, Menschen wirklich mitzunehmen, sie abzuholen für die Themen der Kommunalpolitik, obwohl es doch so wichtig ist, weil man oftmals mehr von kommunalpolitischen Entscheidungen betroffen ist als von Bundes- oder Landespolitik.

"Aber es gibt natürlich auch eine gewisse Verdrossenheit mit Politik insgesamt, die man gespürt hat."

Deswegen wird es unsere Aufgabe sein, noch viel stärker nicht nur zu erklären, sondern tatsächlich ganz nah bei den Menschen zu sein. Auch diese Bedürfnisse wirklich wahrzunehmen, abzuholen und auch dann in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Das wird die Aufgabe von allen kommunalpolitischen Parteien der nächsten Jahre sein.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns über die konkrete Politik sprechen. Die Wahlprogramme der Parteien waren recht ähnlich im Wahlkampf. Mehr Kita-Plätze, Erreichen der Klimaziele. Was wird der OB Christian Specht jetzt anders machen, als es zum Beispiel ein SPD-Oberbürgermeister getan hätte?

Specht: Ganz wichtig ist, dass das, was ich versprochen habe, was wir diskutiert haben, dass wir an diese Themen auch drangehen, Schritt für Schritt, das wird nicht über Nacht passieren. 1.500 Kita-Plätze, die uns allein in Mannheim fehlen, werden wir nicht in zwei, drei Jahren aufholen können. Aber dass wir die Weichen richtigstellen, das wir die freien Träger stärker unterstützen, dass wir sie mitnehmen, dass wir unsere Programme fahren, zum Beispiel für Personalgewinnung und dergleichen.

Spechts Themen: Mobilität, ökologische Transformation, Klimaschutz

Dass wir aber auch bei der Mobilität ein unverkrampfteres Verhältnis dazu finden, wie wir uns in Mannheim bewegen, nachhaltig mit Alternativen, aber eben auch mit der Möglichkeit, dass Menschen, die aufs Auto angewiesen sind, weiterhin in der Stadt Auto fahren können.

Dazu gehört aber auch das Megathema der ökologischen Transformation: Wie schaffen wir unsere Klimaschutzziele in einer Stadt wie Mannheim, einer Industriestadt, die wie keine andere von günstiger Energie auch abhängig ist. Wie nehmen wir auch die privaten Haushalte mit bei der ganzen Unsicherheit, die um das Thema Heizungsenergie und Wärmeversorgung existiert.

Das sind die zentralen Themen, aber eben auch noch näher bei den Menschen zu sein, bei den Vereinen, bei den Ehrenamtlichen, die doch auch stark unter Corona gelitten haben. Aber auch so ein Thema wie Müll und Sauberkeit in der Stadt bis hin zur städtischen Infrastruktur, die doch in die Jahre gekommen ist, wo wir dann gezielt jetzt Maßnahmen machen müssen. Das sind die Punkte, wo ich mich doch unterscheide von meinen Mitbewerbern.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns doch einmal auf ein paar Themen schauen, die in Mannheim doch sehr kontrovers diskutiert worden sind und werden. Stichwort zum Beispiel Verkehrsversuch. Was sehen Sie da?

Specht: Natürlich haben wir dort in der Innenstadt insgesamt ein großes Thema. Das heißt die Frage: Wie schaffen wir es, diese Durchgangsverkehre wirklich nachhaltig aus der Stadt zu bringen, aber gleichzeitig auch die Erreichbarkeit des Oberzentrums?

"Wir sind die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs. Wir sind das Oberzentrum für die Metropolregion Rhein-Neckar mit vielen Geschäften, mit vielen Dienstleistern."

Wie halten wir uns so erreichbar, dass die Menschen eingeladen sind? Gleichzeitig wollen wir die Aufenthaltsqualität erhöhen mit mehr Grün, aber auch mit mehr Verkehrsberuhigung. Das jetzt aber mit allen gemeinschaftlich zu diskutieren und nicht einfach aus dem Rathaus vorzugeben, sondern da einen Weg zu finden, wie wir dort vernünftig vorgehen, dass wir die maximalen Ziele hier erreichen, das ist jetzt die erste Aufgabe.

SWR Aktuell: Schauen wir mal auf die Kultur. Wie sieht es aus Ihrer Sicht mit den Plänen für die Stadtbibliothek aus?

Specht: Ja, wir brauchen eine Stadtbibliothek, das habe ich auch immer gesagt. Da gibt es wunderbare Beispiele. Ich habe mir ja auch einige angesehen, wie wir digitale Lern- und Bildungszentren aus solchen Stadtbibliotheken machen können. Wir haben da einen Bedarf. Da gibt es eine große Planung jetzt, die auf Grund der Baukosten und der Architektur bei weit über 80 Millionen liegt - den aktuellen Stand müssen wir noch mal ermitteln - und die sehe ich momentan so schnell nicht.

"Eine Stadtbibliothek für 80 Millionen sehe ich im Moment nicht."

Deswegen müssen wir uns auf einen realistischen Weg machen, wie wir eine Stadtbibliothek in Mannheim realisieren können, damit wir diesen Anforderungen und Ansprüchen, die wir an eine Stadtbibliothek haben, auch gerecht werden können.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns noch auf den Sport schauen, braucht Mannheim ein neues Waldhof-Stadion?

Specht: Mannheim hat eine große Fußballtradition. Deswegen ist es schon wichtig, dass wir gerade Vereinen, die ambitioniert sind wie der SV Waldhof, auch die Möglichkeit geben, wirtschaftlich sicher in einem Stadion zu sein, was den Anforderungen vielleicht auch einer Zweiten Liga gerecht wird. Das Carl-Benz-Stadion ist in die Jahre gekommen, war damals schon ein Kompromiss, war ja kein Neubau, sondern hat nur eine Baugenehmigung als Nutzungsänderung. Das schafft große Probleme.

Stadionfrage des SV Waldhof: Suche nach Alternativen zur Sanierung

Deswegen bin ich sehr skeptisch gewesen, ob es sinnvoll ist, hier viele Millionen zu investieren in ein Provisorium, und dann doch keine leistungsfähige, wirtschaftliche und auch sichere Spielstätte zu haben. Deswegen muss man hier in Alternativen denken. Auch das wird jetzt ein Weg, ein Prozess sein, den wir jetzt aufsetzen müssen.

SWR Aktuell: Es sind sehr viele Themen, das haben wir gerade gemerkt. Spätestens jetzt hat das konservative Lager aber im Mannheimer Gemeinderat im Moment keine Mehrheit. Wie wollen Sie Ihre Ziele durchsetzen?

Specht: Es geht darum, dass wir natürlich mit großer Gemeinsamkeit an diese Themen gehen. Und da bin ich auch seit 16 Jahren gewohnt, immer Mehrheiten zu finden. Gerade die CDU hatte ja viele Jahre keine Mehrheit.

Ich glaube, dass viele Parteien auch das Interesse haben, Mannheim nach vorne zu entwickeln. Das sieht man ja auch an den Programmen. Da gibt es viele Ähnlichkeiten.

"Und deswegen gilt es, eine Koalition der Willigen zu schmieden, um uns auf dem Weg zu machen. "

Wir haben große Herausforderungen, finanzielle Belastungen. Denken Sie nur an das Thema Klinikum zum Beispiel, die Fusion mit Heidelberg. Das sind Megathemen, die uns in den nächsten Jahren schwer belasten. Deswegen sind wir darauf angewiesen, dass wir mit großem Konsens der Willigen an der Zukunft Mannheims arbeiten.

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