Pilotprojekt "Armed": Mit der Datenbrille auf Spurensuche

Rechtsmediziner in Heidelberg helfen bei Untersuchung von Gewaltopfern

Stand
Autor/in
Monika Regelin

Mit Telemedizin unterstützt die Heidelberger Gewaltambulanz Ärzte in Krankenhäusern bei der Untersuchung von Gewaltopfern und der gerichtsfesten Dokumentation der Beweise.

Mit einem einzigartigen Pilotprojekt namens "Armed" – englisch für: bewaffnet - betritt die Rechtsmedizin der Heidelberger Universitätsklinik Neuland. Per Telemedizin unterstützen die Expertinnen und Experten der Gewaltambulanz Ärztinnen und Ärzte in verschiedenen Krankenhäusern. Sie helfen bei der Untersuchung von mutmaßlichen Gewaltopfern und bei der gerichtsfesten Dokumentation der Beweise.

Spezielle Datenbrille und Software entwickelt

Opfer von Gewalt kostet der Gang zum Arzt oft große Überwindung, er ist aber notwendig, und zwar möglichst zeitnah, um gerichtsfeste Beweise zu sammeln. Häufig fehlt es aber an geschultem Personal, um entsprechende Spuren zu finden und korrekt zu dokumentieren.

Die Gewaltambulanz an der Universitätsklinik Heidelberg ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Das Projekt "Armed" verbindet die Heidelberger Expertinnen mit Ärztinnen und Ärzten an verschiedenen Kliniken im Land – mithilfe der Telemedizin. Dafür wurde extra eine Datenbrille und eine spezielle Software entwickelt.

Kathrin Yen, Chefin der Rechtsmedizin Heidelberg
Kathrin Yen, Leiterin der Rechtsmedizin an der Universitätsklinik Heidelberg

Digitale Untersuchung bei Verdacht auf Misshandlung

Beteiligt sind Kliniken in Heilbronn, Ravensburg und demnächst auch Offenburg. Zunächst sollen dort Kinder untersucht werden, bei denen der Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch besteht. Und das funktioniert so: Die Ärztin oder der Arzt außerhalb von Heidelberg nutzt die Datenbrille bei der Untersuchung. Über eine sichere Datenleitung nimmt eine Rechtsmedizinerin der Gewaltambulanz zeitgleich daran teil. Sie gibt Hilfestellung, wie und wo Spuren möglicher Gewalt entdeckt und dokumentiert werden können.

"Wenn man belegen kann, dass man zum Opfer von Gewalt geworden ist, und wie das passiert ist, die Spuren vorhanden sind, die das aufzeigen können, belegen können, dann stehen die Chancen, dass es zu Verurteilungen kommt, ganz anders, als wenn diese Beweise fehlen."

Die Rechtsmediziner geben auch Empfehlungen, wie weiter verfahren werden soll: Ob ein Gutachten nötig ist oder ob Jugendamt oder Polizei informiert werden müssen. Grundsätzlich unterliegen die Ärzte aber der Schweigepflicht. In jedem Fall ist es wichtig, dass die Spuren und Beweise für Gewalt so dokumentiert werden, dass sie Bestand haben, wenn es zu einem Prozess kommt. Nach der Untersuchung werden die Daten in Heidelberg ausgewertet und nach höchsten Sicherheitsstandards gespeichert.

"Medizin der Zukunft" vom Land gefördert

Das Projekt "Armed" wurde mit rund zwei Millionen Euro vom Landessozialministerium gefördert. Das langfristige Ziel ist ein möglichst flächendeckender Zugang von Gewaltopfern zu forensischen Untersuchungen.

"Es ist momentan abhängig vom Zufall, wo sich eine Gewalttat ereignet, ob man Zugang zur Rechtsmedizin findet oder nicht. Was wir mit dem Projekt erreichen wollen, ist, dass alle Menschen, die Opfer von Gewalt werden in Baden-Württemberg innerhalb von möglichst einer Stunde Zugang zu einer qualifizierten forensischen Untersuchung bekommen."

Die Telemedizin bietet hier große Chancen. Denn in Baden-Württemberg gibt es nur vier rechtsmedizinische Institute: in Heidelberg, Ulm, Freiburg und Tübingen. Rund 650 Verdachtsfälle von Gewalt haben die Experten der Heidelberger Gewaltambulanz alleine in Nordbaden im letzten Jahr untersucht. Fast die Hälfte davon waren Kinder bis 14 Jahre.

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