Die Arbeit im Gemeinderat ist "das Bohren sehr dicker Bretter mit einem sehr dünnen Bohrer", sagt der Grünen-Stadtrat Michael Rittmann aus Schwetzingen (Rhein-Neckar-Kreis). Der 69-jährige Neurologe sitzt seit vier Jahren im Gemeinderat und tritt am 9. Juni erneut an.
Wenn er die Erfolge seiner Politik aufzählen soll, fallen ihm vor allem einzelne lokale Projekte ein: Die Sanierung eines maroden Lehrschwimmbeckens etwa, eine inklusive Toilette für Schwerbehinderte, eine sogenannte Gestaltungssatzung, die die Schönheit der Innenstadt bewahren soll, oder auch die Einrichtung einer Gleichstellungsbeauftragten im Rathaus.
Grüne Kernthemen: Nüchterne Bilanz im Schwetzinger Gemeinderat
Was die grünen Kernthemen angeht, das Engagement für den Klimaschutz und die Umwelt, fällt Rittmanns Bilanz nüchterner aus. Ein detailliertes Verkehrskonzept für Radwege sei bislang nicht vorangekommen, die erarbeitete Baumschutzsatzung fand keine Mehrheit.
Ohne Mehrheit geht allerdings nichts im Gemeinderat. Und die Suche nach Verbündeten ist laut Rittmann nicht leicht. Ist Schwetzingen durch die Arbeit im Gemeinderat insgesamt grüner geworden? "Politisch ja, aber generell nicht", sagt er.
Verwaltung gibt die großen Linien vor
Die großen Linien der Kommunalpolitik gibt in Schwetzingen offenbar die Verwaltung vor. Sie liefert laut Rittmann eine "Flut von Vorlagen", sodass für eigene Themen wenig Spielraum bleibe. Fast alle Vorlagen würden zunächst nicht öffentlich beraten. Öffentlich ausgetragene Kontroversen blieben die Ausnahme. Meist stünden die Mehrheiten dann längst fest.
Dazu kommt, dass der Gemeinderat selbst in seiner Königsdisziplin, der Verabschiedung des städtischen Haushalts, immer wieder an Grenzen stößt. 95 Prozent aller Ausgaben seien ohnehin verpflichtend, so Rittmann. Sich dennoch weiter zu engagieren, hält er für seine "Bürgerpflicht".
Schwetzinger CDU-Stadträtin: Gemeinderat ist "mächtiges Gremium"
Ganz anders sieht das die CDU-Stadträtin Rita Erny. Der Gemeinderat sei ein "sehr mächtiges Gremium", sagt sie. Der Oberbürgermeister könne viele Dinge nicht allein entscheiden und sei auf die Stadträte angewiesen.
Als Erfolge ihrer politischen Arbeit verbucht die 68-Jährige zum Beispiel die Einrichtung einer Ganztagsgrundschule oder eines Gründerzentrums. Auch das Einfrieren der Kita-Gebühren habe ihre Fraktion durchgesetzt. Generell bescheinigt sie dem Gremium ein hohes Maß an Einigkeit und Harmonie, etwa bei Großprojekten wie dem neuen Stadtquartier "Schwetzinger Höfe" auf einem ehemaligen Industriegelände. Nicht durchsetzen konnte sie unter anderem eine innerstädtische Grünfläche oder auch schönere Müllbehälter. Auch sie tritt am 9. Juni erneut an.
Das würde wohl auch Carsten Petzold unterschreiben. Der pensionierte Polizeibeamte sitzt seit 2007 im Schwetzinger Gemeinderat. Seine Fraktion, die SFW (Schwetzinger Freie Wähler) holte 2019 mit Abstand die meisten Stimmen.
SFW-Stadtrat: Erfolge im Kleinen
Auch Petzold verweist auf Erfolge bei kleineren Einzelprojekten, etwa dem ampelfreien Verkehrskonzept an einem großen Kreisverkehr oder der Einrichtung eines Inklusionsbeirates. Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen seien die SFW nicht an Parteibeschlüsse auf Bundes- oder Landesebene gebunden. Das mache sachorientierte Lösungen vor Ort einfacher. Obwohl er die tatsächliche Macht des Gemeinderats skeptisch betrachtet, will er am 9. Juni ebenfalls wiedergewählt werden.
Schwetzinger OB Pöltl: Gemeinderat entscheidet die "Big Points"
Bleibt die Frage, wie die Stadtspitze die Rolle des Gemeinderats einschätzt. Für Schwetzingens Oberbürgermeister René Pöltl ist die Antwort klar:
Der Gemeinderat sei zuständig für die "Big Points" und daher sehr mächtig, so Pöltl. Als Hauptorgan der Gemeinde treffe das Gremium alle wesentlichen Entscheidungen. Allerdings räumt er ein, dass die ehrenamtlich tätigen Räte die umfangreichen Vorlagen, die vor jeder Entscheidung erstellt und diskutiert werden müssen, gar nicht mehr alle abarbeiten könnten. Bund und Land müssten hier dringend Bürokratie abbauen, sagt er im SWR-Interview.
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