Fast zwei Jahre nach dem ersten Urteil hat am Montag am Landgericht Heidelberg erneut ein Prozess begonnen, der sich mit einem mutmaßlich antisemitischen Vorfall bei der Normannia-Studentenverbindung auseinandersetzt. Die Heidelberger Verbindung nennt sich mittlerweile "Cimbria". Am Donnerstag - dem zweiten Verhandlungstag - trat unter anderem der Geschädigte als Zeuge auf.
Nach Vorfall bei Normannia: Gericht verurteilte drei Männer
Das Amtsgericht in Heidelberg hatte im Dezember 2022 in erster Instanz drei der damals vier Angeklagten zu Bewährungsstrafen in Höhe von jeweils acht Monaten verurteilt. Ein Mann wurde freigesprochen. Zwei der damals Angeklagten gehen seit Montag gegen das Urteil vor. Ein dritter Angeklagter hatte seine Berufung vergangene Woche zurückgezogen und gilt nun als rechtskräftig verurteilt. Weil die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt hat, kann die Strafe im Berufungsverfahren nicht höher ausfallen als beim ersten Urteil, teilte die Sprecherin des Landgerichts mit.
Geschädigter tritt als Zeuge auf
Am Donnerstag trat unter anderem der Geschädigte als Zeuge auf. Er wurde annähernd zwei Stunden lang befragt. Eine genaue Rekonstruktion der Ereignisse am fraglichen Abend im August 2020 scheint dennoch schwierig. Der 30-Jährige trat sehr förmlich und korrekt auf, immer wieder gab er allerdings an, sich nur ungenau zu erinnern. Manches war widersprüchlich und immer wieder verwies er auf seine Angaben in den Protokollen vom Prozess vor zwei Jahren. Bei der Anschuldigung der beiden Angeklagten blieb er. Er wirft ihnen vor, zu einer Gruppe von Männern gehört zu haben, die ihn so mit dem Gürtel geschlagen haben, dass er Blutergüsse im Lendenbereich davongetragen habe. Von wem genau später antisemitische Beschimpfungen kamen und wer mit Münzen nach ihm geworfen haben soll, blieb unklar.
Zum Prozessauftakt schilderten Angeklagten den Abend aus ihrer Sicht
Bereits am Montag hatten die beiden 24-jährigen Angeklagten den Abend des Normannia-Festes aus ihrer Sicht geschildert. Beide gaben an, an den Beleidigungen und verletzenden Schlägen nicht beteiligt gewesen zu sein.
Der eine - damals Mitglied der Burschenschaft Normannia in Heidelberg - meinte, er habe dem Geschädigten lediglich zur Begrüßung zwei, drei leichte Gürtelschläge verpasst. Dieser "Normannengruß" sei dem Mann angekündigt worden, als der per Nachrichtendienst angefragt habe, ob er mit Freunden zu dem Fest kommen könne. Ansonsten sei er - der Angeklagte - im Nebenraum gewesen, als es zu heftigeren Gürtelschlägen und antisemitischen Beleidigungen gekommen sein soll. Später habe er mitbekommen, dass der Geschädigte das Fest aufgebracht verlassen habe.
Der andere - ein Gast der Kölner Burschenschaft Germania - räumte ein, dass er irgendwann einen Tumult wahrgenommen habe. Dann habe er gesehen, wie ein sogenannter Bundesbruder aus Köln den Geschädigten dreimal mit einem Gürtel auf den Oberschenkel geschlagen habe. Später habe er gesehen, wie der Geschädigte seinem Bundesbruder Bier über den Kopf schüttete.
Starker Alkoholkonsum immer wieder Thema
Während der Vernehmung der Angeklagten und der Zeugen war immer wieder der starke Alkoholkonsum Thema. Einer der Angeklagten sprach beim Prozessauftakt von einem "unfassbaren Saufgelage". Nicht zuletzt wurde damit erklärt, dass man vieles nicht so genau mitbekommen habe. Der Geschädigte hingegen sagte aus, an dem Abend nüchtern zum Fest gekommen zu sein. Er habe einen anstrengenden Tag gehabt und vorher nur ein bis zwei Bier getrunken.
Bisher deckt sich keine Version mit der anderen
Nach den bisherigen Aussagen der Angeklagten und Zeugen gibt es keine Version, die sich mit der anderen deckt. Einer der Verteidiger erklärte am Donnerstag: sollte sich nur der Geschädigte daran erinnern, dass sein Mandant zugeschlagen habe, stünde am Ende Aussage gegen Aussage.
Weitere Zeugenvernehmungen sind am kommenden Dienstag geplant. Am darauffolgenden Donnerstag könnte dann das Urteil fallen.
Alte Herren der Normannia: Wir haben die Notbremse gezogen
Bereits am Montag traten auch der Vorsitzende und der Co-Vorsitzende des Altherrenverbandes der damaligen Normannia als Zeugen auf. Am vermeintlichen Tatabend vor Ort war nur der Vorsitzende. Er räumte ein, dass er nichts mitbekommen und erst am nächsten Tag den Vorfall geschildert bekommen habe. Auch er sei an dem Abend "sehr betrunken" gewesen.
Beide Zeugen beschrieben, wie in den Tagen nach dem Fest die Entscheidung fiel, die aktive Normannia-Gruppe aufzulösen. Die Gründe seien zum einen die Ereignisse auf dem Fest gewesen; es habe sich zum anderen aber auch herausgestellt, dass schon vorher „einiges gelaufen“ sei und es "einige Entgleisungen" gegeben habe. Wie etwa ein Heil-Hitler-Gruß bei einem Telefonat. Deshalb habe man die Notbremse gezogen. Der Co-Vorsitzende beschrieb, dass er vor den jungen Burschenschaftlern einen halbstündigen Monolog gehalten und die Auflösung bekannt gegeben habe. Es seien Tränen geflossen. Allerdings deckt sich auch diese Version nicht mit der, die einer der Angeklagten schilderte. Er merkte an, dass es diesen Monolog nie gegeben habe und lediglich zwei Sätze gefallen seien. Daraufhin hätten die aktiven Burschenschaftler ihre Bänder abgeben müssen.
"Gürteln" offenbar eine Erfindung der jungen Burschenschaftler
Das Gürteln - also Schläge mit Gürteln in der damaligen Normannia-Burschenschaft - ist offenbar eine Erfindung der jüngeren Mitglieder. Die Zeugen aus dem Altherren-Verband bemerkten, dass sie dieses Ritual nicht kennen würden. Es sei wohl während der Corona-Zeit eingeführt worden. Tatsächlich hat es nach Bekanntwerden der Beschuldigungen kurzfristig einen Internet-Eintrag gegeben, in dem behauptet worden war, dass das Gürteln eine alte Tradition sei. Der Eintrag wurde wieder gelöscht. Am Donnerstag war von einem "Wikimedia-Krieg der Alten Herren" die Rede.
Einer der Angeklagten, der Geschädigte und ein weiterer Zeuge räumten ein, dass ihnen das Gürteln bekannt war, allerdings nur in der freundschaftlichen Form. Man müsse es sich ähnlich wie eine Handtuchschlacht vorstellen.