Nach den coronabedingten Einbrüchen in der Tourismusbranche stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. So gab es in der Sommersaison von Mai bis Oktober 2022 in Baden-Württemberg laut Statistischem Landesamt knapp 34 Millionen Übernachtungen. Im Vergleich zu Vorjahr bedeutet das ein Plus von 30 Prozent.
Seit drei Jahren befinde sich die Tourismusbranche im Krisenmodus, erklärte Staatssekretär Patrick Rapp (CDU) am Montag beim Tourismustag Baden-Württemberg auf der Reisemesse CMT in Stuttgart. Doch trotz Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie einhergehenden steigenden Lebenshaltungskosten sei das Reisen für viele Menschen nach wie vor ein Grundbedürfnis. Die Corona-Pandemie hatte einer Studie zufolge zu erheblichen Rückgängen bei den Übernachtungen geführt. 2021 lagen die Umsätze 7,6 Milliarden Euro unter dem Wert von 2019.
Branche will in Digitalisierung investieren
Die Branche habe die Krise genutzt, um sich digital und nachhaltiger aufzustellen, sagte Andreas Braun, Verbandsdirektor des Tourismusverbands Baden-Württemberg. So seien etwa die Angebote für nachhaltigen Urlaub landesweit ausgebaut worden. Auch der Heilbäderverband Baden-Württemberg wolle mehr im Bereich Digitalisierung investieren, sagte Verbandspräsident Fritz Link. Angesichts des Fachkräftemangels könne die Digitalisierung das Personal vor Ort entlasten.
Im vergangenen Jahr hätten rund 2.700 junge Menschen ihre duale Ausbildung in der Reisebranche und im Gastgewerbe gestartet, sagte Tanja Traub, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald. Das seien 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Modernisierung der Ausbildungsberufe soll die Arbeit in Restaurants und Hotels künftig noch attraktiver machen.
Camping-Boom: Hersteller von Reisemobilen mit Lieferschwierigkeiten
Auch die Caravaning-Branche rechnet nach dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen mit weiterem Wachstum. Nach Einschätzung von Reisemobil-Herstellern ist der Trend ungebrochen, auch wenn Lieferschwierigkeiten das Geschäft zuletzt stark beeinträchtigt haben. Die Lieferzeiten betrügen mittlerweile ein Jahr und mehr, hieß es etwa vom Hersteller Dethleffs aus Isny im Allgäu (Kreis Ravensburg). Mittlerweile bestätige die Firma schon gar keine konkreten Daten mehr, sagte ein Sprecher. Wegen fehlender Teile - vor allem der Mangel an Fahrgestellen bereite Probleme - stehen bei Dethleffs immer wieder die Bänder still.
Angesichts der allgemeinen Teuerung habe Dethleffs auch immer wieder an der Preisschraube drehen müssen. Habe ein Fahrzeug früher vielleicht 50.000 Euro gekostet, seien das heute 15 bis 20 Prozent mehr, so der Sprecher. Das führe auch dazu, dass mittlerweile eine andere Kundschaft erreicht werde. Ziel sei zwar, die Kosten wieder zu senken: "Man kann aber auch keine Paletten reinlegen und sagen: Bringt eure Matratzen selber mit."
Auch der Wohnmobil-Hersteller Hymer aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) berichtet von Lieferkettenproblemen. "Aus diesem Grund konnten wir - trotz eines hohen Auftragsbestands - unsere Produktionskapazitäten in den letzten zwei Jahren nicht zu jeder Zeit voll ausschöpfen", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Christian Bauer. Das Interesse an der Reiseform Caravaning sei aber ungebrochen. Hymer blicke dank vorausschauender Planung und einer eigenen Fahrgestell-Fertigung positiv ins neue Jahr, so Bauer.
Lieferkettenprobleme: Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent
Auch die Geschäftsführerin des in Stuttgart sitzenden Deutschen Caravaning Handels-Verbands (DHCV), Ariane Finzel, rechnet damit, dass sich die Lieferprobleme etwas entspannen. Zuletzt hätten Händler, die auf Wohnmobile spezialisiert waren, Umsatzeinbußen von 20 bis 30 Prozent hinnehmen müssen. Bei Wohnwagen - wo der Mangel an Fahrgestellen nicht zu Buche schlug - seien die Umsatzzahlen der Händler hingegen eher konstant geblieben.
Seit Samstag läuft in Stuttgart die CMT, nach Angaben der Veranstalter die weltweit größte Touristikmesse. Dort stehen rund 1.200 Reisemobile unterschiedlichster Hersteller zur Besichtigung bereit. Wer sich ein Wohnmobil zulegen will, muss dafür aber tiefer in die Tasche greifen. Hymer habe einen Teil der gestiegenen Preise für Rohstoffe, Fracht und Energie auch an die Kunden weitergeben müssen, sagte Bauer. Dethleffs berichtete von Preissteigerungen von 15 bis 20 Prozent.
Mehr als 250.000 Zulassungen in drei Jahren
In den vergangenen drei Jahren habe die Branche mehr als 250.000 Zulassungen erlebt, sagte Finzel. Angesichts der Preise würden aber viele Menschen nun vorsichtiger beim Kauf. "Das war ein Riesen-Zenit, der ist jetzt ein Stück weit überschritten. Wenn wir uns einpendeln auf das Niveau vor der Pandemie, dann ist das sicher nicht schlecht.