Breiter Protest gegen Schließungen

18 weitere Notfallpraxen in BW schließen: Diese Orte sind betroffen

Stand

Die Kassenärztliche Vereinigung BW hat am Montag ihre Pläne für den ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgestellt. Ab April 2025 sollen 18 Notfallpraxen schrittweise geschlossen werden.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat am Montag offiziell bestätigt, dass sie die Zahl der Notfallpraxen in Baden-Württemberg reduzieren will - 18 Standorte sollen geschlossen werden. Die Pläne waren bereits zuvor bekannt geworden. Umgesetzt werden sollen die Schließungen schrittweise ab April 2025. Acht Praxen hatte die KVBW bereits im Laufe des Jahres dauerhaft geschlossen.

Als Grund dafür nannte die KVBW den Personalmangel unter niedergelassenen Ärzten. Man habe schlicht und einfach ein Personalproblem, sagte Karsten Braun, Vorstandsvorsitzender der KVBW. Wenn man die Versorgung im Land verantwortungsvoll aufrechterhalten wolle, müsse man sich auf die Regelversorgung fokussieren, also auf die normalen Praxen. "Wenn wir den Bereitschaftsdienst nicht anpassen, dann fahren wir die Regelversorgung im Land an die Wand. Das ist nun mal die Realität", sagte Braun.

Gegen die Pläne hat sich ein breiter Protest von Ärzten, Landräten und Bürgermeistern sowie Landtagsabgeordneten formiert. Am Montagmittag demonstrieren vor dem Gebäude der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart mehrere Hundert Menschen gegen die Schließungspläne.

Protest gegen Schließung von Notfallpraxen: Kundgebung in Stuttgart

Von den 18 Notfallpraxen sollen allein 10 im Raum Karlsruhe und Stuttgart schließen. Der Marburger Bund und Gesundheitspolitiker von SPD und FDP sprechen von einer Katastrophe. Kommunale Vertreterinnen und Vertreter hatten zu der Demonstration in Stuttgart aufgerufen. In betroffenen Städten wurden Busfahrten in die Landeshauptstadt organisiert.

Auch aus Calw waren Bürgerinnen und Bürger nach Stuttgart gekommen. Doch anders als bislang angenommen, wird die Notfallpraxis in Calw laut KVBW doch nicht geschlossen. Dafür soll der Standort in Nagold wegfallen. 

Der Oberbürgermeister von Backnang (Rems-Murr-Kreis), Maximilian Friedrich (parteilos), kritisierte bei der Kundgebung, dass seiner Stadt bei der Schließung des örtlichen Krankenhauses versprochen worden sei, dass es dauerhaft eine Notfallpraxis geben werde. Nun werde dieses Versprechen mit der Schließung der Notfallpraxis gebrochen. "Das dürfen und können wir uns nicht gefallen lassen", sagte er. Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) rief er dazu auf, seine Prüfmöglichkeiten auszuüben. "Die KVBW darf doch kein Staat im Staate sein."

Ohne Veränderungen geht es angesichts knapper werdender personeller und finanzieller Ressourcen nicht.

Gesundheitsminister kontert Kritik an Schließung von Notfallpraxen

Gesundheitsminister Lucha sagte, es sei richtig und zukunftsweisend, dass die KVBW ein neues Standortkonzept vorgelegt habe. "Wir müssen ehrlich sein zu den Bürgerinnen und Bürgern und ihnen reinen Wein einschenken: Ohne Veränderungen geht es angesichts knapper werdender personeller und finanzieller Ressourcen nicht", so der Grünen-Politiker in einer MItteilung.

Wenn man die ambulante Regelversorgung sichern wolle, brauche es eine Neustrukturierung der Bereitschaftsdienste, so Lucha. "Wir können den demografischen Wandel, die bevorstehende Verrentungswelle in der Ärzteschaft und den zunehmenden Wunsch nach Teilzeitarbeit bei Medizinern sowie den zunehmenden Ärztemangel schlicht nicht ignorieren", so der Gesundheitsminister.

Warum die Schließungspläne auf Kritik stoßen

95 Prozent der Menschen sollen nach den Plänen der KVBW eine Notfallpraxis in maximal 30 Autominuten erreichen können. Alle anderen sollen maximal 45 Minuten fahren müssen. Zudem sei vorgesehen, dass es nur noch Standorte in Verbindung mit einem Krankenhaus mit Notaufnahme gebe. 

Als Ersatz für die wegfallenden Standorte sollen die bleibenden Praxen gestärkt werden. Dort sollen etwa, wenn der Bedarf da ist, mehr Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig Dienst haben. Damit könne ein höheres Patientenaufkommen bewältigt werden und zugleich werde auch die Qualität verbessert. Es gebe etwa viele Ärztinnen und Ärzte, die wegen ihrer Fachrichtung mit bestimmten Erkrankungen wenig zu tun hätten. "Wenn zusätzlich ein erfahrener Kollege oder eine erfahrene Kollegin vor Ort ist, erleichtert dies den Dienst und verbessert die Versorgung", sagte Doris Reinhardt, stellvertretende KV-Chefin. 

Einen wichtigen Baustein für die Versorgung sieht die KVBW auch die Telemedizin sowie der Notdienstnummer 116117. Die Nummer werde künftig die zentrale Steuerungsstelle sein, um die Patienten zur richtigen Versorgung zu leiten. 18 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie einzelne Landräte halten das für illusorisch. Sie hatten von Lucha gefordert einzuschreiten.

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Weitere Belastung der Notaufnahmen befürchtet

Kritik an den Schließungsplänen kommt insbesondere von Ärztinnen und Ärzten der Krankenhäuser. Sie befürchten eine weitere Belastung der dortigen Notaufnahmen. Besorgt ist auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Man erwarte ein weiter steigendes Einsatzaufkommen im Rettungsdienst, hatte der Landesgeschäftsführer des DRK Baden, Leonard von Hammerstein, am Freitag gesagt. "Die geplante Schließung von Notfallpraxen führt dazu, dass Menschen bei uns landen, denen in der ambulanten Versorgung viel besser geholfen wäre."

Die Organisation Medi, die rund 5.000 Ärztinnen und Ärzte im Land vertritt, hält die Neustrukturierung des Notfalldienstes für unumgänglich. Zu viele Medizinerinnen und Mediziner gingen in Rente, das System müsse deshalb angepasst werden.

Ärzteorganisation: Neustrukturierung des Notfalldienstes unumgänglich

Der Spitzenverband der fachärztlichen Berufsverbände Baden-Württemberg (SFB BW) wies in einer Mitteilung daraufhin, dass es sich bei der Behandlung in den Notdienstpraxen nicht um akute Notfälle handele. Es gehe um die allgemeinärztliche Versorgung außerhalb normaler Sprechzeiten, also um Bereitschaftsdienste.

Der Politik warf der Verband jahrzehntelange Versäumnisse vor. Der durch unattraktive Arbeitsbedingungen entstandene Ärztemangel im haus- und fachärztlichen Bereich schlage im Bereitschaftsdienst durch - was eine Reduktion der Zahl der Bereitschaftspraxen in BW zur Folge habe, hieß es.

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