Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) will als Konsequenz aus der Polizei-Affäre den Posten des Inspekteurs abschaffen. Das kündigte Strobl am Dienstag in Stuttgart an. Die Aufgaben des ranghöchsten Polizeibeamten, der vor allem als Bindeglied zwischen Innenministerium und den Polizeipräsidien fungierte, sollen auf andere Führungskräfte verteilt werden.
Das Landespolizeipräsidium will sich neu aufstellen: "Wir wollen weg von Abhängigkeiten, die sich zu stark auf Einzelne konzentrieren, hin zu einem echten Führungsteam", teilte Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz am Dienstag mit.
Strobl stellte am Dienstag darüber hinaus eine Reihe weiterer Maßnahmen vor, mit denen er auf den Skandal reagieren will. So soll es eine Dienstvereinbarung für die Polizei geben, mit der alle Beamtinnen und Beamten vor allen Formen sexueller Belästigung geschützt werden sollen. Darüber hinaus soll die Auswahl der Führungskräfte neu geregelt werden. Das seit Jahrzehnten praktizierte Beurteilungssystem soll auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Desweiteren erhält das Innenministerium eine neue Stabsstelle für moderne Werte- und Führungskultur. Diese soll Jörg Krauss, ehemaliger Polizeibeamter und bis vor kurzem Amtschef im Landesfinanzministerium, leiten.
Designierter Stabschef: Polizei leidet unter Affäre um Inspekteur
Krauss sagte, die Polizei leide unter den Vorkommnissen. "Das berufliche Selbstverständnis bei den Kolleginnen und Kollegen hat schon sehr gelitten." Er will sich in seiner neuen Funktion anschauen, ob Strukturen entstanden sind, die "abhängigkeitsbegünstigend" wirken.
Ausgelöst wurde der Skandal durch den Inspekteur der Polizei, Andreas R., der wegen sexueller Nötigung einer jüngeren Kollegin in Stuttgart vor Gericht stand. Zwar war der freigestellte Inspekteur am Freitag aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, doch die Staatsanwaltschaft will das Urteil anfechten. Sie wirft dem Inspekteur Machtmissbrauch vor, weil der die Lage der Frau, die in den höheren Dienst wollte, ausgenutzt habe. Strobl hatte direkt nach dem Urteil im SWR gesagt, dass der Inspekteur trotz des Freispruchs nicht auf seinen Posten zurückkehren könne.
Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung wird ausgeweitet
Ein Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt sich seit einem Dreivierteljahr mit der Beförderungspraxis bei der Polizei. Seit Mai gibt es im Innenministerium eine Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung. Diese soll nun auf die Polizei mit ihren fast 30.000 Beamtinnen und Beamten ausgedehnt werden.
Demnach gelten anzügliche oder zweideutige Bemerkungen am Arbeitsplatz ebenso als sexuelle Handlungen wie grenzüberschreitende körperliche Nähe und Berührungen. Bei sexueller Belästigung drohen Strafanzeige, Disziplinarverfahren oder arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Geldbußen und Kürzung der Bezüge.
Die Grünen: Abschaffung des Amt des Inspekteurs nur ein Anfang
Oliver Hildenbrand, Sprecher der Grünen und Koalitionspartner der Landesregierung, begrüßte den Schritt von Innenminister Strobl, meinte aber auch: "Wir sind mit diesem Maßnahmen-Paket nicht am Ziel, aber auf dem richtigen Weg. Das Amt des Inspekteurs der Polizei ist irreparabel beschädigt."
Die Abschaffung sei deshalb richtig - und zugleich ein notwendiger Veränderungsimpuls für eine Neuorganisation im Landespolizeipräsidium, so Hildenbrand weiter. Die Prävention und der Schutz vor sexualisierter Gewalt stünden dabei besonders im Fokus.
Opposition bleibt bei Strobl skeptisch
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Julia Goll, sieht hinter der Entscheidung von Innenminister Strobl politisches Kalkül: "Strobl versucht offensichtlich durch große Ankündigungen vor der Sommerpause den Befreiungsschlag. Ob durch einen derartigen Schnellschuss aber wirklich Probleme gelöst werden, ist mehr als fraglich."
Denn, so Goll weiter, welche Posten und Funktionen es in der Landespolizeiführung es auch gebe, es würden immer weitere Sicherheitsrisiken drohen, da sie sie nach "Strobls System des Postengeschachers und der Günstlingswirtschaft" besetzt werden würden.