Das Krankenhauspersonal in Baden-Württemberg hat an Silvester oft mehr zu tun als ohnehin schon - auch beim Klinikum Stuttgart. "Silvester zählt in der Notaufnahme des Klinikums Stuttgart zu den arbeitsreichsten Nächten des Jahres", so ein Sprecher auf SWR-Anfrage. Es gebe bis zu 20 Prozent mehr Patientinnen und Patienten, darunter auch sehr schwer Verletzte.
Vor den Beschränkungen durch Corona, in der Silvesternacht 2018/2019 seien 65 Menschen in der Notaufnahme des Klinikums im Katharinenhospital gelandet. Gleichzeitig seien sie deutlich schwerer verletzt als an normalen Tagen.
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Kliniken sind ohnehin schon überlastet
Ähnlich sieht es in Freiburg aus. "Die Kliniken stehen unter einer hohen Belastung. Da ist jeder Verletzte, der noch dazu kommt, einer zu viel", sagte ein Sprecher im Interview mit dem SWR. Man könne nur an die Menschen appellieren, "vorsichtig und umsichtig zu sein und auf die eigene Gesundheit zu achten." Dazu zählt für viele Kliniken nicht nur der Umgang mit Böllern, sondern auch der Konsum von Alkohol.
Das Problem: In vielen Kliniken in Baden-Württemberg ist die Lage im Moment ohnehin prekär. Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal fehlen oder fallen wegen Krankheit aus. Vor allem die Kinderkliniken im Land sind deutlich überlastet.
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Die Kinderkliniken in Baden-Württemberg sind am Anschlag. Es fehlen Ärzte und Pflegende, Kinder könnten nicht richtig versorgt werden. Gesundheitsminister Lucha muss sich auf einem Krisentreffen den Vorwürfen stellen.
Lucha: Verletzungen mit Feuerwerk sind vermeidbar
Deshalb appelliert die Politik an die Menschen im Land. "Wer verantwortungsvoll mit Feuerwerk umgeht oder vielleicht sogar darauf verzichtet, hilft damit auch den Krankenhäusern und ihren Beschäftigten", sagte Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) auf SWR-Anfrage. Viele Verletzungen durch Feuerwerk seien vermeidbar.
Auch Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) ruft die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, "Rücksicht zu nehmen und mit Böllern und Raketen sorgfältig und bewusst umzugehen." So könnten die Menschen die eigene Gesundheit und die Umwelt schützen.
Sind Böller das einzige Problem für die Kliniken?
Aber macht der Verzicht auf Feuerwerk an Silvester wirklich einen großen Unterschied? Vom SWR angefragte Kliniken können dazu nur vage Aussagen machen: Am Uniklinikum in Tübingen habe es in den vergangenen Jahren an Silvester deutlich weniger Belastung durch Unfälle mit Böllern gegeben. Die sind nämlich seit Jahren in der Innenstadt verboten. Genaue Zahlen kann eine Sprecherin des Klinikums jedoch nicht nennen.
Das Klinikum Karlsruhe rechnet nach dem Ende des Böller-Verbots wieder mit mehr Patientinnen und Patienten. In Ludwigsburg sagte ein Sprecher im Gespräch mit dem SWR, man sei auf das höhere Patientenaufkommen an Silvester vorbereitet.
DKG: Rund ein Drittel weniger Verletzte mit Böller-Verbot
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) liefert da deutlichere Zahlen. Im Jahr des Böllerverbots (Silvester 2020/21) sei die Zahl der durch Feuerwerk Verletzten in den Krankenhäusern um rund zwei Drittel gesunken. Allein die Zahl der Schwerstverletzten, die stationär behandelt werden mussten, habe sich von 96 am 1. Januar 2019 auf 32 am 1. Januar 2021 verringert. Ginge die Zahl der stationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten um zwei Drittel zurück, zeige sich in den Notaufnahmen eine ähnliche Entwicklung.
Alkoholkonsum macht Krankenhäusern auch Probleme
Böller sind jedoch laut SWR-Recherchen an Silvester nicht das einzige Problem in Baden-Württembergs Kliniken. Die Krankenhäuser in Ludwigsburg und in Freiburg bestätigen, dass auch Alkohol eine große Rolle spielt. Laut dem Sprecher des Stuttgarter Klinikums sei sogar nur ein kleiner Teil der Verletzungen an Silvester durch Böller entstanden. "Die Mehrzahl der Patienten gehen auf Alkoholkonsum und die unter anderem darunter gestiegene Gewaltbereitschaft zurück", so der Sprecher.
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Auch Security-Kräfte hätten in der Nacht viel zu tun, um das Team der Notaufnahme bei der Deeskalation zu unterstützen. Denn in Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Gewalt gegen Personal. Das belegte eine Befragung von mehr als 1.000 Klinikmitarbeitern aus 2021, über die das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ berichtete. Alkohol sei neben Drogen oder Demenz ein Grund, dass Patientinnen, Patienten oder Angehörige handgreiflich werden würden.