Der Glockenturm der evangelischen Matthäusgemeinde in Sinzheim bei Baden-Baden war bundesweit der erste, bei dem die Glocken unten statt oben hängen. Dass der Turm etwas Besonderes ist, sieht man ihm auf den ersten Blick an: Der Turm steht - anders als das herkömmliche Pendant - komplett frei neben dem eigentlichen Kirchengebäude.
Umgekehrter Glockenturm macht Glocken sichtbar
Und auch die Materialien haben nicht viel mit einem klassischen Glockenturm zu tun: Zur Hälfte verglast und zur Hälfte aus Stahl ragt der etwas andere Glockenturm mehr als zwölf Meter in die Höhe. Die drei Glocken hängen dabei nur knapp über dem Boden - unten die schwerste und größte.
SWR-Reporterin Laura Bisch hat sich den Glockenturm in Sinzheim angeschaut - und ihn auch mal läuten lassen:
Die Vorteile eines umgedrehten Glockenturms
Dass der Glockenturm diesen Aufbau hat, bringt gleich mehrere Vorteile mit sich, findet Miriam Schönle, die Diakonin der evangelischen Matthäusgemeinde in Sinzheim. Der größte Vorteil ist ihrer Ansicht nach, dass die Glocken so für alle sichtbar sind. Zurecht, wie die Diakonin findet - denn die Glocken seien mit ihren Zeichnungen und Bibelversen durchaus sehenswert.
Den Schall der Glocken gezielt leiten
Das umgekehrte Erscheinungsbild hat aber auch eine praktische Funktion, was den Klang angeht. Denn der kann anders als bei traditionellen Glockentürmen beim modernen Turm bewusst gesteuert werden, weiß Martin Kares vom Glockenprüfamt in Karlsruhe. Das Geheimnis: eine Art umgekehrte Pyramide, die oben in den Turm eingebaut wird.
"Der Schall, der von unten kommt, trifft auf diese schrägen Flächen oben und wird dann seitlich abgeleitet." Diese Pyramide könne man dann neigen - und den Schall dann in entsprechende Richtungen lenken, führt Kares aus. So könne der Schall des Glockenläutens den Berg hinauf, ins Tal herab oder über die Häuser der Nachbarn der Kirche geschickt werden. Das könne, wenn gewünscht, auch Auswirkungen auf die Lautstärke des Glockenläutens haben, die in den Häusern ankommt.
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Glockenturm - aber mal anders
Kares hatte auch die Idee, den Glockenturm einfach mal auf den Kopf zu drehen. Er begutachtet seit etwa 30 Jahren Glocken und macht eine Art Glocken-TÜV. Dabei fielen ihm immer wieder Probleme wie Risse bei Nachkriegsbauten auf. Diese Glockentürme seien oft aus Beton und inzwischen ziemlich marode, erklärt Kares. Außerdem beobachtete Kares bei etlichen Türmen schwingungsdynamische Probleme.
Nur für leichtere Glocken geeignet
Nachteile sieht Kares bei dieser Bauweise kaum. Er merkt nur an, dass so ein umgedrehter Glockenturm sich nur für leichtere Glocken eignet. "Glocken, die deutlich mehr als eine Tonne wiegen, da werden dann die Tiefentöne durch diese Konstruktion nicht so gut abgestrahlt", meint Kares.
Daher schauen sich vor allem kleinere Kirchengemeinden in Sinzheim das Original an. Und sind begeistert. So ist der umgekehrte Glockenturm dort längst nicht mehr der einzige seiner Art. Ganz im Gegenteil: Der Turm mit den drei tief hängenden Glocken dort ist mittlerweile ein Vorbild - auch für Gemeinden außerhalb von Baden.