Dazu hat die ukrainische Regierung vier so genannte Staatenbeschwerden gegen das Nachbarland erhoben. Jetzt wurde die erste dieser Klagen vor der Großen Kammer verhandelt. Es ging um die Folgen der Krim-Besetzung.
Bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung war unklar: Wird Russland an dieser Gerichtsverhandlung teilnehmen oder nicht? Selbst die Mitarbeiter des Gerichtshofs waren sich da nicht ganz sicher. Aber schnell zeigte sich: Die rechte Seite im Gerichtssaal, da wo die russischen Vertreter sitzen sollten, die blieb leer.
Die Ukraine versucht an mehreren internationalen Gerichten, die Rechtsverletzungen Russlands anzuprangern. Auch am Internationalen Gerichtshof in Den Haag läuft ein Verfahren. Von diesem aktuellen Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erhofft sich die stellvertretende ukrainische Justizministerin Iryna Mudra, die extra für die Verhandlung angereist ist, viel.
Für die Ukraine ein sehr wichtiges Verfahren
"Das ist ein sehr wichtiges Verfahren, wir kämpfen für Gerechtigkeit, für die Opfer, für die Menschen und den Staat." so die stellvertretende ukrainische Justizministerin Iryna Mudra.
In Straßburg geht es erstmal nur um die Besetzung der Krim 2014 – nicht um die Annexion an sich, sondern darum, wie sich russische Truppen und von Russland geduldete paramilitärische Kräfte seither auf der Krim verhalten haben.
Viele Menschenrechtsverletzungen sind dokumentiert
Dabei konnte der Anwalt der Ukraine in Straßburg auf eine Menge Berichte von internationalen Organisationen zurückgreifen. Die schildern viele brutale Übergriffe bis hin zu Folter. Es wird von Verschleppungen und Ermordungen berichtet sowie von unrechtmäßigen Inhaftierungen. Die Unterdrückung der ukrainischen Sprache ist dokumentiert sowie Zwangseinbürgerungen ukrainischer Staatsbürger.
"Es sind fast alle Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden. Und wir versuchen zu zeigen, dass das keine Einzelfälle sind, sondern dass das der russischen Verwaltungspraxis entspricht, ein Muster, das auf der Krim begonnen hat und dann in andere Regionen der Ukraine ausgeweitet wurde." so der Anwalt der Ukraine.
System der Unterdrückung
Die Richterinnen und Richter des Gerichtshofs fragten in der mündlichen Verhandlung aber immer wieder nach, ab wann man denn von einer allgemeinen Praxis sprechen konnte. Der Anwalt der Ukraine lehnte es jedoch ab, das an konkreten Zahlen festzumachen. Es gehe um ein vielfach praktiziertes System der Unterdrückung. Die stellvertretende ukrainische Justizministerin möchte auch mit dem Verfahren in Straßburg die Tatsachen dokumentieren, damit sie vor anderen Gerichten verwendet werden können.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dieser Sache kommt allerdings erst in einigen Monaten.