Für die Kläger in Leipzig ist das ein hartes Urteil. Sie haben aus ihrer Sicht penibel dargelegt, warum sie einmal genau auf diese Art und Weise selbstbestimmt aus dem Leben scheiden möchten – nämlich durch ein vom Staat zur Verfügung gestelltes tödliches Medikament, das sie dann selbst zu sich nehmen würden. Und sie haben klar gemacht, warum andere Wege für sie nicht zumutbar sind. Damit hatten sie keinen Erfolg.
Hilfe beim Suizid legal möglich
Andere schwer kranke Betroffene in ähnlicher Situation, die von der Entscheidung aus Leipzig hören, bekommen nun womöglich den Eindruck: Ich habe keine Chance, meinen Wunsch nach einem selbstbestimmten Suizid in die Tat umzusetzen. Für sie ist wichtig zu wissen: Dieser Eindruck stimmt nicht.
Denn ein zentrales Argument des Gerichts für die Ablehnung der Klage lautet ja: Für Menschen, die selbstbestimmt entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen, gebe es „andere zumutbare Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Sterbewunsches“. Was ist mit diesen „anderen Möglichkeiten“ gemeint? Es geht dabei um Hilfe beim Suizid durch Ärztinnen und Ärzte, oder durch Sterbehilfeorganisationen. Die Sterbewilligen bekommen das tödliche Medikament dann nicht vom Staat, sondern auf anderem – legalen – Wege.
Ein neues Gesetz ist keine Bedingung
Diesen Weg hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zum „Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben“ im Februar 2020 ausdrücklich freigemacht. Seitdem ist die Hilfe beim Suizid durch Ärzte oder Sterbehilfeorganisationen nicht mehr strafbar. Sterbewillige können sie in Anspruch nehmen.
Betroffene, die sich über das heutige Urteil informieren, werden jetzt womöglich einwenden: „Nein, können wir eben nicht. Verbände und Vertreter aus der Politik betonen doch heute in Stellungnahmen: Der Gesetzgeber müsse tätig werden und erstmal eine rechtssichere Lösung schaffen.“ Für die Betroffenen ist wichtig zu wissen: Nein, das muss er nicht. Ein neues Gesetz zur Sterbehilfe ist nicht die Bedingung dafür, dass Hilfe beim Suizid durch Ärzte und Sterbehilfeorganisationen legal wird. Sie ist es bereits jetzt, ohne neues Gesetz.
Bislang kein Gesetz zu Beratungspflichten
Aber warum gab es dann die große, emotionale Debatte im Bundestag um eine neu gesetzliche Regelung im vergangenen Juli, die ohne ein Ergebnis endete? Weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hatte: Der Gesetzgeber kann Rahmenbedingungen für den assistierten Suizid schaffen. Zum Beispiel eine Pflicht zur vorherigen Beratung einführen. In der Debatte im Bundestag ging es also um mögliche Hürden, um den Wunsch nach einem Suizid überprüfen zu können. Das ist ein legitimes Anliegen, über das sich intensive Diskussionen lohnen. Der Gesetzgeber kann solche Hürden einführen. Er muss das aber nicht. Und hat es auch noch nicht. Wohlgemerkt: Hürden, die wären erlaubt. Der Gesetzgeber darf aber nichts daran ändern, dass es die Möglichkeit eines legalen, assistierten Suizides gibt. Hier besteht schon jetzt Rechtssicherheit.