Die Bekämpfung von Kinderarmut gilt als eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben. In Baden-Württemberg beträgt die Kinderarmutsrate laut Präventionsnetzwerk Enzkreis, gemessen am Bezug von Sozialhilfe, durchschnittlich 7,8 Prozent. Während Pforzheim mit 18,3 nach Mannheim die höchste Rate besitzt, liegt die Zahl im Enzkreis nur bei 5,3 Prozent.
Doch jeder Fall von Kinderarmut ist einer zu viel, so das Credo im Enzkreis. Dort wurde im vergangenen Jahr ein Präventionsnetzwerk gegründet, in dem möglichst Akteure diese Aufgabe gemeinsam angehen wollen. Die Mitglieder des Netzwerkes, darunter der Landkreis, die Kommunen, soziale Träger, Schulen und Vereine tauschen sich dabei regelmäßig über nötige Hilfsangebote und deren Weiterentwicklung aus.
Gebrauchtes Schulmaterial für arme Kinder im Enzkreis
"Arme Kinder leben mitten unter uns, wenn auch nach außen hin nicht unbedingt sichtbar", sagt Doris Möller-Espe vom Kinderschutzbund Pforzheim-Enzkreis. Kinderarmut wirke sich vor allem beim Thema soziale Teilhabe aus. Aktuelles Beispiel sei der Schulanfang. Ihre Organisation habe sehr viele gebrauchte Schulranzen und Schulmaterial verteilen müssen, weil es sich viele Familien nicht leisten könnten, 200 Euro für die Ausstattung eines Erstklässlers auszugeben.
Kinderarmut führe schnell zu sozialer Ausgrenzung, weiß auch Paul Renner vom Jugendamt des Enzkreises. So beobachtet er immer wieder, dass von Armut gefährdete Familien kaum oder gar keine Bildungs- und Kulturangebote wahrnehmen. Die Kinder gehen nicht in den Fußballverein, weil sie sich keine Fußballschuhe leisten können, nehmen unter vorgeschobenen Gründen nicht am Klassenausflug teil oder sitzen in den Ferien nur zuhause vor der Spielkonsole.
Hilfsangebote sollen Kinderarmut bekämpfen
Im Präventionsnetzwerk Enzkreis haben sich die Akteure zusammengetan, um gemeinsam und strukturiert Kinderarmut zu bekämpfen. Mit an Bord ist etwa auch das Gesundheitsamt. Es bestehe ein auffälliger Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheitszustand von Kindern, weiß dessen Leiterin Brigitte Joggerst.
Um Kinderarmut gezielt zu bekämpfen, sollen im Präventionsnetzwerk die vielseitigen bestehenden Hilfsangebote enger miteinander verzahnt werden. "Ein längst überfälliger Schritt", sagt Doris Möller-Espe. Ob Kinderschutzbund, Diakonie, Verein oder Schule – alle Akteure haben ihre Erfahrungen und sollten sie mit anderen teilen.
Ein „Frühwarnsystem“ gegen Kinderarmut
Genau dafür soll das Präventionsnetzwerk im Enzkreis sorgen: die Betreuungs- und Hilfsangebote in allen Kommunen auszubauen und eine Art Frühwarnsystem zu schaffen, das betroffenen Familien frühzeitig Unterstützung bietet. Dafür sollen sogenannte Präventionsketten sorgen, erläutert Netzwerk-Koordinator Tim Sottona. Im Idealfall werden in allen Kommunen Kinder von der Kita bis zum Berufseinstieg lückenlos begleitet. Dazu müssten sich alle Akteure miteinander vernetzen. So könnte beispielsweise der Fußballverein dafür sorgen, dass Kinder auch an Kultur- und Bildungsangebote kommen.
Doch über eines sind sich alle Netzwerker auch einig: das Grundproblem Kinderarmut werden auch sie nicht beseitigen können. Das sei eine politische Aufgabe. Die Grundsicherung, so die einhellige Meinung, reiche vorne und hinten nicht. Die große Lösung lasse aber leider noch auf sich warten.