Die finanzielle Lage der Stadt Karlsruhe ist angespannt wie selten zuvor. Dienstag und Mittwoch diskutierte der Gemeinderat eine umfangreiche Streichliste mit annähernd 300 Positionen für den anstehenden Doppelhaushalt 2024/25. 90 Millionen Euro pro Jahr sollten dadurch eingespart werden. Geplante Einsparungen wurden jedoch gestrichen. Das Defizit erhöhte sich nach der Debatte zunächst um weitere 20 Millionen für beide Jahre.
SWR-Reporter Mathias Zurawski aus dem Karlsruher Rathaus:
Gemeinderat kassiert Sparvorschläge und gibt mehr Geld aus
Der Karlsruher Gemeinderat hat die "Liste des Grauens" zwei Tage lang Punkt für Punkt diskutiert. Doch anstatt die Sparvorschläge umzusetzen, wurden wesentliche Punkte vom Gremium kassiert. Wesentliche Sparmaßnahmen wurden zurückgenommen. Das Defizit vergrößere sich dadurch um zunächst 20 Millionen Euro, sagte Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) nach langen Krisengesprächen zwischen den Fraktionen am Mittwochmittag.
Gegenüber dem SWR sprach Mentrup in Bezug auf die einzelnen Maßnahmen von Summen, die der Stadt nicht wehtun. Insgesamt sprach er von erfolgreichen Haushaltsberatungen.
Stadt schöpft Volkswohnung-Gewinne ab
Der Doppelhaushalt sei vor der Debatte grundsätzlich durch das Regierungspräsidium genehmigungsfähig gewesen, so Mentrup weiter. Damit er genehmigungsfähig bleibt, müsse man das zusätzlich angehäufte Defizit nun um wenigstens die Hälfte auf zehn Millionen Euro senken. Dafür soll nun unter anderem bei Stellen im Rahmen der städtischen Kinderbetreuung gespart werden. Außerdem entschied der Gemeinderat, erstmals Gewinne der städtischen Volkswohnung GmbH abzuschöpfen, um das Finanzloch teilweise zu stopfen. Die Maßnahme ist auf ein Jahr begrenzt.
Gemeinderat lehnt Sparvorschläge reihenweise ab
Zuvor hatte der Gemeinderat eine Sparmaßnahme nach der anderen gegen die Empfehlung der Verwaltung gestrichen.
Geplante Kürzungen im Kulturetat wurden am ersten Tag der Debatte zurückgenommen. Der Gemeinderat stimmte einer pauschalen Kürzung um 1,5 Prozent zwar zu. Diese Kürzungen wurden dann jedoch für die freien Träger der Karlsruher Kulturszene wie Tollhaus oder Sandkorntheater zurückgenommen. Zusätzlich stimmte das Gremium für eine dynamische Steigerung der Zuschüsse, was für das kommende Jahr zu einer Steigerung um 2,5 Prozent führt.
Eine geplante, ebenfalls umstrittene Erhöhung der Preise für das Mittagessen in Ganztagsschulen wurde abgemildert. Der Gemeinderat stimmte einer Preiserhöhung um 50 Cent auf vier Euro ab dem 1. Januar zu. Eine weitere Erhöhung um 50 Cent ein Jahr später wurde abgelehnt.
"Hundebeutel für Karlsruhe" kämpft erfolgreich um Finanzierung
Monatelang waren die städtischen Dezernate aufgefordert, Sparvorschläge in ihren jeweiligen Bereichen zu erarbeiten. Herausgekommen war eine kleinteilige Liste, die neben den großen Themen wie dem Klimaschutzkonzept auch Einsparungen in kleineren Bereichen vorsieht. Aber auch dort gab es Widerstand.
So kämpfte eine Initiative "Erhaltet die Hundebeutel für Karlsruhe" dafür, dass die Stadt weiterhin Tüten für 310 Hundetütenboxen im Stadtgebiet finanziert. Am Mittwoch stimmte der Gemeinderat für eine Fortsetzung der Finanzierung. Nach einer Hundesteuererhöhung im Juli dürfe es jetzt nicht zu einem Abbau der Serviceleistung für Hundebesitzer kommen, argumentierte die CDU-Fraktion in ihrem Antrag, dem das Gremium zustimmte.
Ausgeben statt sparen Meinung zum Sparhaushalt in Karlsruhe: Nur ein laues Lüftchen
In Karlsruhe sind die Kassen leer. Mit einer "Liste des Grauens" ist der Gemeinderat in die Haushaltsdebatte gegangen. Nach dem ersten Tag ist das Grauen verflogen. Ein Kommentar von Mathias Zurawski.
Auch Karlsruher Medienbus bleibt erhalten
Heftig umstritten war auch die geplante Einsparung des Medienbusses, die 78.500 Euro gespartes Geld bringen sollte. Fast alle Fraktionen des Gemeinderats beantragten in der Debatte, die Sparmaßnahme zurückzunehmen. Der Medienbus sei eine wichtige Maßnahme, um einen barrierearmen Zugang zur Stadtbibliothek zu gewährleisten. Der Verlust dieser Einrichtung wäre nur schwer zu kompensieren, argumentierten zum Beispiel die Grünen. Der Gemeinderat stimmte schließlich dafür, den Medienbus zu erhalten.
ÖPNV und Städtisches Klinikum Karlsruhe belasten Finanzen
Grund für die Finanzprobleme der Stadt sind neben den Folgen aus der Corona-Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine auch hohe Verluste in städtischen Gesellschaften, im ÖPNV und im Städtischen Klinikum. So hat sich das Defizit bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) von 27,3 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 96,6 Millionen im Jahr 2022 mehr als verdreifacht. Beim Klinikum ist das Minus laut Stadt von zwei Millionen Euro im Jahr 2015 auf 30 Millionen 2022 angewachsen und ist damit zu einer schweren Belastung des Haushalts geworden.
Oberbürgermeister vor Gespräch mit dem Regierungspräsidium
Es werde nun ein Gespräch mit Regierungspräsidentin Sylvia Felder (CDU) geben, um zu klären, ob der jetzt vorliegende Doppelhaushalt genehmigt werden kann, so Oberbürgermeister Mentrup. Problematisch sei dabei auch die hohe Kreditobergrenze im Doppelhaushalt, die bei 200 Millionen Euro liegt. Gegenüber dem SWR zeigte sich Mentrup zuversichtlich:
Angesichts der Zuspitzung fordert Mentrup ein grundsätzliches Umdenken. Man müsse die kommenden zwei Jahre nutzen, um andere Finanzierungsformen zu finden, so Mentrup.
Gespräch mit Regierungspräsidium noch in diesem Jahr
Das Gespräch zwischen dem Regierungspräsidium und der Stadt Karlsruhe soll noch in diesem Jahr stattfinden. Das teilte die Behörde am Donnerstag gegenüber dem SWR mit. Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe nach Vorlage der Haushaltssatzung einen Monat Zeit für die Prüfung. Wann über die Genehmigung entschieden wird, steht noch nicht fest. Der Karlsruher Gemeinderat stimmt in seiner nächsten Sitzung am 28. November abschließend über den Haushalt ab.