Ein Haus umgeben von Palmen, eine große Terrasse, bequeme Sofas. Eingetauscht gegen ein graues Bürogebäude in der Stadt und ein geschäftiges Großraumbüro. Das ist auf Madeira Realität. Wer will, kann sich hier in die Villa von Fabian Eins einmieten und von dort aus arbeiten. Der Deutsche hat vor einigen Jahren Homeoffice Madeira gegründet, eine Art Urlaub-Büro mit Gästezimmern. Die Gäste, die kommen, arbeiten und versuchen gleichzeitig zu entspannen. Häufig sind die Zimmer ausgebucht.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen
Auf einer Paletten-Couch auf der Terrasse sitzt Lars, der im Software-Bereich arbeitet. "Also, da merke ich keinen Unterschied, ob ich im Büro bin oder ob ich Zuhause im Homeoffice bin oder hier." Er ist umgeben von blühenden Pflanzen, blickt vom Laptop auf die nahegelegene Bucht. Sein Arbeitgeber hatte gegen die Idee, von Madeira aus zu arbeiten, nichts einzuwenden. Nach Feierabend kocht Lars mit anderen Gästen oder geht mit ihnen gemeinsam wandern.
"Workation" nennt sich das: die Fusion aus Arbeit und Urlaub. Folge eines großen Homeoffice-Trends der letzten Jahre. Seit der Corona-Pandemie ist von Daheim aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Viele junge Mitarbeiter wollen Freiheit
Stuttgart, an einem Montagmorgen bei der Konferenz in der Werbeagentur "Von Helden und Gestalten". Rund 20 Mitarbeitende sitzen um einen ovalen Tisch. In der Mitte steht die "Eule", eine Kamera, die sich automatisch auf die Person richtet, die gerade das Wort ergreift - so bekommen auch diejenigen alles mit, die gerade im Homeoffice dabei sind. Jeder darf hier arbeiten, wo er oder sie will. Ein Kollege ist aus Spanien zugeschaltet. Auch er macht gerade "Workation".
Werbeagentur-Inhaberin Verena Mayer glaubt, dass sie durch solche Freiheiten bessere Ergebnisse erzielen. Vor allem junge Menschen würden sich oft für die Arbeit von Zuhause aus entscheiden. "Die wollen die Freiheit, brauchen die Eigenverantwortung". Vertrauen sei die Grundlage für das sogenannte hybride Arbeiten, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im Büro als auch daheim sind. Meist klappe das, so Mayer: "Und wenn wir spüren, das funktioniert irgendwo nicht, dann gehen wir ins Gespräch".
Bessere Zusammenarbeit im Büro?
Knapp 50 Kilometer weiter nördlich in Öhringen im Hohenlohekreis. Hier hat die Firma EDI ihren Sitz. Das Unternehmen betreibt Tankstellen in der Region und liefert Heizöl oder Holzpellets aus. Hier herrscht Hochbetrieb. Das Büro ist voll - Homeoffice gibt es hier nur im absoluten Ausnahmefall. Dass alle vor Ort versammelt sind, empfindet Geschäftsführer Roland Weissert als großen Vorteil: "Ist es ein hektischer Tag, ist es ein langweiliger Tag, ist was los oder nicht? Das spüren die Mitarbeiter tatsächlich so an der Stimmung im Büro."
Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden es gut, dass sie im Büro sind - zum Beispiel Matthias Baier, der hier für die Logistik zuständig ist. "Man kann mal was über den Schreibtisch rüber rufen und hat einfach eine bessere Kommunikation." Vieles gehe schneller, Videoanrufe findet Baier oft umständlich. Und er glaubt, dass auch das Miteinander im Unternehmen so gut sei, weil sich alle jeden Tag sehen. "Das ist einfach auch herzlicher."
Und dann seien da noch die, die sowieso nicht im Homeoffice arbeiten können, etwa die Lkw-Fahrer, die täglich ausliefern. Auch die Fairness untereinander spiele deshalb eine Rolle bei der Entscheidung fürs Büro, sagen sie hier. "Wir sind da, wir sind keine besseren Leute und arbeiten von Zuhause aus" - so sieht das Logistiker Baier.
SAP-Mitarbeiter müssen teilweise zurück ins Büro
Einige große Firmen wollen den Homeoffice-Trend nicht mehr mitgehen. "Ein Stück weit auch wieder im Büro gemeinsam zu arbeiten, das ist Teil unserer Kultur. Und es ist auch wichtig für den Erfolg der SAP", sagte Christian Klein, SAP-Vorstandsvorsitzender dem SWR im Januar. Der Walldorfer Softwarekonzern wollte seine Mitarbeiter wieder zurückholen. Mindestens drei Tage pro Woche. Der Betriebsrat akzeptierte das nicht und zog vor Gericht. Im Juli die Einigung: Es bleibt bei drei Tagen Präsenz im Büro. Mehr im Homeoffice arbeiten ist nur erlaubt, wenn die Führungskraft zustimmt.
Die Ampelregierung spricht im Koalitionsvertrag währenddessen von einer gesetzlichen Verankerung von Homeoffice. Auch wenn es bislang kein solches Gesetz gibt, kommt Kritik. "Unsere Wirtschaft hat zurzeit wirklich ganz andere Probleme, als dass sie sich jetzt wieder mit bürokratischen Auflagen und Umstellungskosten beschäftigen müsste“, so die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union, Julia Klöckner.
Die komplette Sendung von "Zur Sache Baden-Württemberg" gibt es hier im Video:
Teamarbeit klappt im Büro häufig besser
Auch andere Unternehmen planen in Zukunft mit weniger Homeoffice: etwa die Deutsche Bank, Volkswagen und die Telekom. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens KPMG aus dem Oktober letzten Jahres gehen 68 Prozent der Firmenchefs großer deutscher Unternehmen davon aus, dass ihre Angestellten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren werden.
Was nun besser ist, Homeoffice oder Büro, versucht Florian Kunze zu beantworten. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht in Konstanz an den Auswirkungen von Homeoffice und sagt in der SWR-Sendung "Zur Sache": "Was besser ist, kommt stark auf die Tätigkeit an." Individuelle Tätigkeiten, bei denen man fokussiert bleiben müsste, würden im Homeoffice effizienter ausgeführt. Teamarbeit sei im Büro häufig besser.
IHK: Homeoffice wird es weiterhin geben
Dennoch: IHK-Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre ist überzeugt, dass Arbeitgeber nicht um ein Homeoffice-Angebot rumkommen: "Wir befinden uns in einem Wettbewerb um die klugen Köpfe. Die Betriebe schauen, dass sie solche Arbeitsbedingungen schaffen, dass möglichst viele Leute gerne bei ihnen arbeiten. Dazu gehört auch mobile Arbeit."
Auf Madeira kosten viele diese Möglichkeit voll aus. Fabian Eins, Herbergsvater des Homeoffice auf der Insel sieht aber keine Gefahr, dass die Mitarbeitenden das ausnutzen könnten. "Man möchte ja auch nicht den Vorgesetzten enttäuschen und stattdessen zeigen: Hey, das funktioniert", sagt Eins. Er glaubt, dass sich der Trend nicht mehr zurückdrehen lässt. Arbeiten wo man will - das sei die Zukunft.