Der Künzelsauer Unternehmer und Milliardär Reinhold Würth hatte am Montag in einem Brief seinen rund 25.000 Mitarbeitenden in Deutschland nahegelegt, bei den kommenden Wahlen nicht die AfD zu wählen. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) findet das gut.
Würth schreibt Anti-AfD-Brief an Belegschaft: Kretschmann lobt Inhalt
Wörtlich sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart: "Sehr ernsthaft und zugleich sehr charmant formuliert. Dass man nicht aus Ärger zum Beispiel über die Bundesregierung, über die Ampel, zu den Rechtsextremen oder zu sonstigen Extremisten rennt. Das ist eine sehr abgewogene Haltung eines lebenserfahrenen Menschen."
Würth habe mit seinem Schreiben an die Mitarbeiter, in dem er von der Wahl dieser Partei abrät, einen sehr wertvollen, stilbildenden Hinweis gegeben, so der Ministerpräsident weiter.
Auch die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag begrüßt die Aktion. Man könne von wichtigen Menschen in der Wirtschaft "erwarten, dass sie auch zeigen, wofür sie stehen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thorsten Frei (CDU), am Mittwoch. Würth habe als Eigentümer und Unternehmer "natürlich alles Recht und vor allen Dingen auch eine hohe Glaubwürdigkeit, wenn er aus seinem Herzen keine Mördergrube macht, sondern seinen Mitarbeitern auch seine Einschätzung zukommen lässt", fügte Frei hinzu.
AfD-Fraktion verärgert: "rote Linie überschritten"
Der Fraktionschef der AfD im Landtag von Baden-Württemberg, Anton Baron, wiederholte am Dienstag seine Kritik. "Natürlich hat das mich als Hohenloher sehr geärgert", sagte Baron dem SWR. Mit dem Brief gebe er in gewisser Weise eine Empfehlung ab. Am Montagabend hatte Baron auf seiner Facebook-Seite geschrieben, dass Würth eine "rote Linie überschritten" habe. "Was wohl mit den Mitarbeitern passiert, die trotzdem die AfD unterstützen oder wählen? Werden sie denunziert oder gar entlassen?", so Baron.
Mitarbeitende reagieren positiv
Positives Feedback erhielt Würth für das Schreiben auch von einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Ich finde den Brief phantastisch. Ich habe geradezu darauf gewartet, dass Herr Würth seine Zurückhaltung angeht, was politische Stellungnahmen angeht", sagte beispielsweise Anja Betran dem SWR. Dass das Unternehmen ein klares Zeichen im Bezug auf die AfD setze, finde sie gut, so Martina Skibowski im SWR: "Ich stehe voll hinter dem, was Professor Würth geschrieben hat." Er sei mit tiefem Stolz auf der Couch gesessen, als er den Brief wahrgenommen habe, so Alexander Besemer im SWR.
Reinhold Würth gilt durchaus als streitbarer Demokrat. So kritisierte er in einem Interview mit dem "Handelsblatt" im April 2020 die damalige Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) für eine "gewisse Kleinkariertheit" in der Europapolitik. Der 88-Jährige tauschte sich immer wieder mit Politikern aus, etwa mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und mit baden-württembergischen Ministerpräsidenten wie Erwin Teufel oder Günther Oettinger (beide CDU). Von 1994 bis 2008 war Würth Mitglied der FDP, im Zuge von Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung trat er aus der Partei aus. Bekannt ist er zudem für seine Kunst- und Kulturförderung.
Politikwissenschaftler findet Diskurs gut
Der Politikwissenschaftler Ulrich Eith von der Universität Freiburg hält es für absolut wichtig, dass sich in der Debatte möglichst viele zu Wort melden und ihre politische Position offenlegen. "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs über das Thema", so Eith im SWR-Interview.
Er sei zwar kein Jurist, so der Politikexperte, aber natürlich gelte auch am Arbeitsplatz und für Arbeitgeber eine politische Zurückhaltung. Nach seinem Eindruck äußere Reinhold Würth in dem Brief seine eigene Meinung und rege zu einer Diskussion an. An keiner Stelle fordere er von seinen Angestellten, irgendwelche Parteien zu wählen. Würth betone auch, dass es ein ganz breites Spektrum von demokratischen Parteien gebe. Den Betriebsfrieden sieht Eith dadurch nicht gefährdet.
IHK verteidigt Brief von Würth an Belegschaft zur potenziellen Wahl der AfD
Die Wirtschaft verteidigte den Brief von Würth. "Es ist die Freiheit eines jeden Unternehmers und Unternehmerin, seine Stimme zu erheben", sagte Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Stuttgart, dem SWR.
In Zeiten, in denen man sich Sorgen machen müsse um die Demokratie, sei es gut, in seinem Unternehmen, für welches man hafte und für welches man die Verantwortung und Risiken übernehme, klar zu sprechen.
Henning Otte aus der SWR-Redaktion Landespolitik ordnet den Brief des Unternehmers ein und betont: Würth nutze seine Meinungsfreiheit.
Würth-Betriebsrat vom Schreiben überrascht
Der Betriebsrat des Unternehmens gibt sich von dem Schreiben überrascht. Zwar wurde eine Woche vorher in einer Sitzung angekündigt, dass es eine Positionierung geben werde - aber nicht in welcher Form, heißt es in einer ersten Stellungnahme. Anfang April wolle das Gremium den Brief diskutieren und überlegen, ob es sich dazu öffentlich äußert.