Eine Person schenkt ein Glas Rotwein ein

Vor allem Württemberger Winzer betroffen

Desinfektionsmittel aus Rotwein? Was dahinter steckt

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Jan Arnecke
Jan Arnecke

Württemberger Winzer müssen einen Teil ihres Weines zu Industriealkohol brennen lassen. Eine Notlösung, da der Absatz um etwa zehn Prozent eingebrochen ist.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren soll aus Württemberger Wein wieder Desinfektionsmittel werden. Zuerst hatte die Stuttgarter Zeitungen berichtet. Doch das ist kein explizites Württemberger Problem, denn die Absatzzahlen beim Wein sinken nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch EU-weit dramatisch, so Hermann Morast, Geschäftsführer des Württemberger Weinbauverbands, gegenüber dem SWR. Die Umnutzung, aus dem Wein also Industriealkohol zu machen, ist eine Notlösung.

"Absatzrückgänge, die wir so bisher nicht kannten"

Um zehn Prozent sei der Absatz von deutschem Wein innerhalb eines Jahres zurückgegangen. "Diese eklatanten Absatzrückgänge, die wir so bisher nicht kannten binnen eines Jahres, müssten abgefangen werden", so Morast. Es gehe den Winzern schließlich nicht darum, Weine zu produzieren, die sie von vorneherein nicht vermarkten könnten.

Fakt ist aber auch, dass es nicht das Ziel unserer Winzer ist, Trauben zu produzieren, Weine zu produzieren, die nicht vermarktet werden können.

Notlösung: Destillation

Vonseiten der Europäischen Union gibt es für solche Fälle ein Hilfsprogramm, bei dem überschüssiger Rotwein zu Industriealkohol gebrannt wird. Für die Winzer ist das kaum wirtschaftlich, denn pro Liter Wein gibt es gerade einmal 65 Cent - von denen dann auch noch der Transport und die Destillation bezahlt werden müssen. Es sei eine Notlösung, um den Wein überhaupt irgendwie los zu bekommen.

In Württemberg landen rund 8,3 Millionen Liter Rotwein in der Destillation. Von den im vergangenen Jahr geernteten rund 98 Millionen Litern Most, entspricht das etwa acht Prozent, so Morast. Württemberger Winzer würden am liebsten gar nicht über das Thema sprechen, die Außenwirkung sei fatal. So berichten die Winzer anonym auch davon, dass Händler sich bei ihnen melden und den Wein jetzt noch günstiger haben wollen, weil die Winzer ihn "nicht losbekommen".

Verbraucher bevorzugen günstigen Wein aus dem Ausland

Die Gründe für den dramatischen Absatzrückgang sieht Hermann Morast in den aktuellen Krisen und der Inflation. Verbraucherinnen und Verbraucher griffen viel häufiger zu günstigem Wein aus dem Ausland. Dieser werde zum Teil unter den Herstellungskosten deutscher Weine verkauft. Generell kämen in Deutschland aktuell nur 40 Prozent des verkauften Weins überhaupt aus Deutschland, erklärt Morast.

Warum so viel Wein aus Württemberg?

Da das Angebot der EU ausschließlich für Rotwein gilt, lese man in den Medien aktuell davon, dass vor allem Württemberger Wein zu Desinfektionsmittel verarbeitet werden soll, vermutet Morast. Denn im restlichen Deutschland werde vor allem Weißwein, in Württemberg aber fast ausschließlich Rotwein angebaut. Das habe also alleine mit der Art des Weines, nicht aber mit einer minderen Qualität der Württemberger Weine zutun, versichert der Geschäftsführer des Württemberger Weinbauverbands.

Verbände und Politik arbeiten an Lösungen

Gemeinsam mit anderen Verbänden und der Politik arbeite man auch schon an langfristigen Lösungen, um dem Absatzrückgang entgegenzuwirken. Doch das brauche Zeit. Wein ist eine Dauerkultur, die Winzer planen in Generationen - von heute auf morgen die Rebsortenstruktur ändern, sei da schlichtweg nicht möglich, weiß Morast. Dennoch sagt er, sollten sich die Absatzzahlen so fortsetzen, müsse man nicht nur an Lösungen arbeiten, sondern diese auch umsetzen.

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