Das Sprichwort "Arbeit ist das halbe Leben" habe der Unternehmer Reinhold Würth widerlegt, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Festrede im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau (Hohenlohekreis). Ein 75. Arbeitsjubiläum sei außergewöhnlich, ebenso die Erfolgsgeschichte der Firma, so Scholz weiter. Bereits im Alter von 15 Jahren sei Würth auf eine Verkaufsreise nach Düsseldorf gegangen. Ob Eltern sowas heute noch zulassen würden, scherzte der Kanzler.
Hunderte Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur waren bei dem Festakt dabei, der musikalisch von den Würth Philharmonikern und der Gaechinger Cantorey (Chor der Internationalen Bachakademie Stuttgart) umrahmt wurde.
Für Reinhold Würth und seine Frau Carmen gab es stehenden Applaus, als die beiden mit Olaf Scholz den Saal betraten. Am Mittag hatte der Kanzler noch einen Neubau der Würth-Logistik besichtigt und sich auch mit Mitarbeitern und Auszubildenden ausgetauscht. Hier durfte die Presse allerdings nicht dabei sein.
Scholz dankt Würth für Engagement gegen Rechtsextremismus
Kanzler Olaf Scholz dankte dem Unternehmer auch dafür, dass er Spaltern und Angstmachern öffentlich widerspreche. Das gehöre für den Hohenloher Unternehmer zur demokratischen Kultur. Würth hatte sich erst im Frühjahr in einem Schreiben an die Mitarbeiter deutlich gegen die AfD positioniert.
Würth von Festakt beeindruckt
Reinhold Würth sagte in seiner Rede, er empfinde eine große Dankbarkeit nach 75 Arbeitsjahren, sein Erfolg wäre jedoch nie ohne die Mitarbeiter möglich gewesen. Die Rede des Kanzlers imponierte dem Milliardär. Der Kanzler haben viele Facetten seines Lebens angesprochen und aufgezeigt, etwa auch die Kunst und die Familie. "Ich bin etwas aus der Fassung ", so Würth.
Würth gibt Vorsitz im höchsten Gremium ab
Der 89-Jährige gab bekannt, dass zum 1. Januar Enkel Benjamin Würth ihn als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats ablösen wird. Das ist das höchste Gremium des Konzerns. Er werde als künftiger Ehrenvorsitzender aber noch "mitmeckern", meinte Würth. Die drei Enkel machten ihrem Großvater noch ein besonderes Geschenk. Da er bekanntlich viel Wert auf Anzug und Krawatte legt, schenkten sie ihm ein eingerahmtes T-Shirt.
Für Würth existiert das Wort "Rente" nicht
Unternehmer Reinhold Würth schaut auch mit 89 Jahren noch fast täglich in seinem Büro am Würth-Stammsitz in Künzelsau-Gaisbach (Hohenlohekreis) vorbei.
Arbeiten als Hobby
Für seinen unternehmerischen Erfolg habe er viel und hart gearbeitet, betonte Reinhold Würth in einem SWR-Interview. Das Wort "Ruhestand" existiert für den Milliardär und Kunstsammler nicht. Würth gönnt sich zwar auch Auszeiten, wenn er etwa mit seiner Luxusjacht auf den Weltmeeren umherschippert oder in seiner Villa in Salzburg weilt. Aber selbst von seinem "Boot" aus, wie er es nennt, nimmt er auch während des Urlaubs an Videokonferenzen teil.
Als privater Kunstsammler hat er mit über 20.000 Werken aus rund 500 Jahren Kunstgeschichte eine der größten Sammlungen in Europa aufgebaut. Die Kunst war für den Hohenloher immer ein willkommener Ausgleich zur rationalen Welt des Kaufmanns. Dieses Hobby will er mit der Öffentlichkeit teilen, den Menschen die Faszination von Bildern oder Skulpturen nahebringen. Es gibt deshalb fünf unternehmenseigene Museen, der Eintritt ist frei. Über die gemeinnützige Stiftung Würth engagiert sich der Unternehmer mit seiner Frau Carmen Würth auch sozial, ganz besonders für das Thema Inklusion.
Mit 19 Jahren früh Verantwortung übernommen
Schrauben verkaufen, direkt beim Kunden sein, deren Bedürfnisse genau kennen, das war von Anfang an Reinhold Würths Ding. Im Jahr 1945 hatte Vater Adolf Würth in Künzelsau eine Großhandelsfirma für Schrauben und Muttern gegründet. Der erste Firmensitz war die Künzelsauer Schlossmühle. Auf Wunsch seines Vaters begann Sohn Reinhold im Alter von 14 Jahren eine Lehre zum Großhandelskaufmann. Nach den Vorstellungen seiner Mutter Alma Würth hätte er Lehrer werden sollen. Bereits im Alter von 16 Jahren fuhr er alleine nach Köln und Düsseldorf, um dort neue Kunden zu gewinnen. Der Jugendliche kehrte mit Aufträgen zurück.
Im Jahr 1954 stirbt Adolf Würth plötzlich an einem Herzinfarkt. Mit 19 Jahren stand Reinhold Würth plötzlich an der Spitze eines kleinen Betriebs. Er nahm die Herausforderung an und formte über die Jahrzehnte einen Milliardenkonzern, in dem Schrauben heute nur noch ein Produkt unter vielen anderen sind. Der Würth-Konzern knackte 2023 erstmals die Marke von 20 Milliarden Euro Umsatz. Weltweit gibt es mittlerweile über 400 Gesellschaften, die in 32 Ländern zum Würth-Imperium gehören.
Das Diktiergerät ersetzt den Computer
Auf dem schweren Holzschreibtisch in Reinhold Würths Künzelsauer Büro ist bis heute kein PC zu finden, dafür steht aber ein großer Monitor im Raum, der in Echtzeit Umsatz- und Auftragszahlen aus den Würth-Gesellschaften anzeigt. E-Mails tippt der 89-Jährige nicht, er greift lieber regelmäßig zum Diktiergerät. Tausende von Briefen hat er so verfasst. Für Diskussionen sorgten immer mal wieder seine deutlichen Schreiben an die Vertriebsmitarbeitenden, die für reichlich Wirbel sorgten. Würth forderte darin mehr Leistung und Einsatz ein.
Zuletzt hatte sich der Unternehmer im März mit einem fünfseitigen Schreiben an alle Mitarbeitenden in Deutschland gegen die AfD positioniert. Den Menschen in Deutschland gehe es gut, niemand müsse hungern oder frieren, sogar für Urlaube sei viel Geld vorhanden. "Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig", hieß es wörtlich im Schreiben.
Enkel arbeiten im Unternehmen
Um die Zukunft des Unternehmens langfristig zu sichern und möglichen Erbstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen, hat Reinhold Würth seine Firma schon Ende der 1980er Jahre in mehrere Familienstiftungen überführt. Im Unternehmen sind mittlerweile auch die Enkel Benjamin, Sebastian und Maria Würth aktiv.