Am Mittwochmorgen stand eine Frau vor dem Heilbronner Amtsgericht. Der Vorwurf: Sie und weitere Mittäter sollen mit sogenannten Schockanrufen versucht haben, unter anderem eine 58-Jährige aus Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn) im Oktober letzten Jahres um ihr Geld zu bringen. Nach nur zwei Stunden stand das Urteil fest: zwei Jahre Haft ohne Bewährung wegen versuchten bandenmäßigen Betrugs. Sie nahm das Urteil an.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Gericht die Angeklagte wegen eines solchen Delikts verurteilt. Sie sei im November 2021, also fast ein Jahr vor der in Heilbronn verhandelten Tat, in Köln zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Gegen dieses Urteil legte sie Berufung ein, weshalb es zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig ist. Das legte das Heilbronner Amtsgericht zu ihren Ungunsten aus. Laut Staatsanwaltschaft hätte das Kölner Urteil eine Warnung für die Frau sein müssen.
Angeklagte vor Amtsgericht geständig
Die Angeklagte selbst hatte direkt zu Beginn der Verhandlung die Vorwürfe eingeräumt. Sie sei unter Druck gesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft Heilbronn hatte der Frau versuchten bandenmäßigen Betrug vorgeworfen. Sie soll Mitglied einer von der Türkei aus gesteuerten Bande sein.
Die Angeklagte ließ am Mittwochmorgen ihren Anwalt sprechen. Seine Mandantin räume die Vorwürfe ein, habe selbst aber niemanden angerufen, sondern als eine Abholerin, als eine sogenannte "Läuferin" fungiert. Die Anrufer säßen demnach in der Türkei. Ihr seien 3.000 Euro versprochen worden. Zu weiteren Mitgliedern der Bande wollte sie sich nicht äußern, so ihr Rechtsbeistand. Bei den Opfern entschuldigte sie sich. Sie sei unter Druck gesetzt worden. In welcher Form, dazu gab es keine Äußerung. Finanzieller Druck habe für die alleinerziehende Mutter zweier Kinder aber auch eine Rolle gespielt, hieß es am Mittwoch.
Bei fingierter Geldübergabe festgenommen
Von der 58-jährigen Bad Wimpfenerin hatte die Bande zunächst 250.000 Euro gefordert. Weil sie so viel Geld nicht hatte, reduzierten die Anrufer die geforderte Summe auf 100.000 Euro. Das potentielle Opfer durchschaute den Versuch allerdings, weil sie offenbar früher schon mal Opfer eines solchen Betrugsdeliktes geworden war. Sie informierte die Polizei, die dann bei einer fingierten Geldübergabe die nun angeklagte Frau festnahm.
Landesweit ist die Zahl der Schockanrufe drastisch gestiegen. Das Stuttgarter Innenministerium registrierte im vergangenen Jahr rund 2.000 solcher Betrugsversuche.
Betrüger setzen auf neue Masche Falsche Polizisten: Immer mehr Schockanrufe in BW
Meist ältere Menschen werden mit einer angeblichen Notlage von Angehörigen unter Druck gesetzt, damit sie zahlen. Das BW-Innenministerium registrierte 2021 über 2.000 solcher Versuche.
Weisser Ring: Angst, Scham und Vertrauensverlust
Der Weisse Ring hilft Opfern von Kriminalität mit Beratung und manchmal mit Geld. "Opfern von Telefonbetrug, die auf uns zukommen, geht es weniger um die finanzielle Hilfe", sagt Dieter Ackermann vom Weissen Ring Heilbronn. Die Leute suchen eher jemanden, der zuhört, Verständnis zeigt. Auch weil die Maschen der Täter sehr perfide und sehr ausgeklügelt seien, sei die Scham groß.
Panik, wenn wieder ein Telefon klingelt
Die Menschen haben das Vertrauen verloren, erschrecken, wenn das Telefon klingelt, besonders wenn die Nummer unbekannt ist, sagt Ackermann. Manche werden durch ein Telefonklingeln so getriggert, dass sie einen Flashback bekommen. "Auch wir Helfer müssen ganz genau die Uhrzeit vor einem Anruf ankündigen", so Ackermann.
Wie hilft der Weisse Ring?
"Wird ein Täter ermittelt und gefasst, können wir den Opfern Beratungsschecks für einen Anwalt ausstellen", erklärt Ackermann. Aber die Aufklärungsquote sei vergleichsweise gering.
Der Weisse Ring vermittelt deshalb vor allem an therapeutische Einrichtungen, die helfen, besser mit dem Erlebten klarzukommen. Helfen, das an die Betrüger verlorene Geld wieder zu erlangen, können die Ehrenamtlichen vom Weissen Ring nicht, so Ackermann.
Betrugszahlen sind explodiert
Die Zahl der Betrugsversuche mit sogenannten Schockanrufen bei älteren Menschen ist explodiert. Allein im Bereich des Polizeipräsidiums Heilbronn wurden im Jahr 2021 über 180 Betrugsversuche mit der Masche des "Angeblichen Polizisten" in der Statistik registriert. Bei der Masche "Enkeltrick" waren es 69. Doch die Dunkelziffer ist hoch, denn seit 2020 werden Fälle, in denen vom Ausland aus angerufen wird, in einer anderen Statistik erfasst.