Ramadan in der JVA Heilbronn

Fasten unter erschwerten Bedingungen

Ramadan hinter Gittern: Fastenzeit in der JVA Heilbronn

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Autor/in
Peter Wedig
Peter Wedig

Trotz aller Einschränkungen, die eine Gefängnisstrafe bereits mit sich bringt, fasten auch in der JVA Heilbronn einige der muslimischen Insassen.

331 Gefangene sind derzeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Heilbronn inhaftiert. Knapp ein Drittel davon sind Muslime und einige davon halten auch im Gefängnis die Fastenzeit ein. Eine genaue Zahl könne man nicht sagen, heißt es von der Gefängnisleitung. Rund 20 Gefangene haben sich für eine sogenannte Austauschkost angemeldet, andere aber fasten auch einfach so.

Austauschkost heißt: Das Mittagessen fällt aus. Stattdessen werden Fertignudeln, Tütensuppen und Obst ausgeteilt, das "Ramadanpaket". Das können sich die Gefangenen dann am Abend selbst im Wasserkocher oder in der Gemeinschaftsküche zubereiten.

Ansonsten ist der Alltag im Gefängnis fast wie immer. Wer will, kann sich während des Ramadans von der Arbeit freistellen lassen - aber dann gibt es auch keinen Lohn. Rund 200 Euro verdient ein Häftling in der JVA im Monat. Und alle zwei Wochen können sich die Insassen verschiedene Produkte oder Lebensmittel bestellen, die ins Gefängnis geliefert werden.

Insasse: Vermisse vor allem das Gemeinschaftliche

Ein Gefangener berichtet, dass er bereits seit seinem 14. Lebensjahr fastet. Er sei das gewohnt und mache das für sich und für Gott. Fasten laufe innerhalb der Gefängnismauern genauso ab wie draußen auch. Es fehle aber die Familie, die Gemeinschaft drumherum.

Das einzige, was fehlt, ist die Familie. Man fühlt sich alleine hier.

Dadurch liege eine gewisse Traurigkeit über dieser Zeit, erzählt er. Positiv sei aber, dass sich die anderen Insassen gegenseitig motivierten und in der Gemeinschaftsküche zusammen kochten. Das gehe natürlich nur in der freien Zeit nach der Arbeit, bevor es um 20 Uhr in die Zellen zum Nachteinschluss gehe. An diesem Abend soll es eine Linsensuppe geben.

Ramadan in der JVA Heilbronn
Ein Gefangener zeigt, was er als Austauschkost statt dem Mittagessen bekommt. Dazu gibt es noch etwas Obst.

Eine Ausnahme vom Fasten komme für ihn nicht infrage, sagt der Häftling. Er sei gesund und deswegen verpflichtet zu fasten. Das Fasten stärke auch die Geduld - und davon brauche es im Gefängnis jede Menge.

Wenn du dich damit in Geduld üben kannst, dann kannst du es auch draußen [nach der Entlassung] schaffen.

Ein islamischer Seelsorger berät die Gefangenen

Abdulhamid Andreas Tittus ist islamischer Seelsorger in der JVA. Die Gefangenen können einen Antrag stellen, wenn sie ein Gespräch wünschen oder beispielsweise einen Koran wollen. Die Gesprächsthemen sind unterschiedlich, mal geht es um Sorgen mit der Familie, mal um Aufarbeitung der Straftat. Häufig sind aber auch religiöse Themen dabei, zum Beispiel wenn es darum geht, dass ein Insasse Hilfe sucht auf dem Weg zurück zum Glauben.

Ramadan in der JVA Heilbronn
Abdulhamid Andreas Tittus arbeitet als islamischer Seelsorger zwei Mal die Woche in der JVA Heilbronn.

Zur Fastenzeit merke er schon, dass ein etwas anderer "Spirit" da sei, sagt Tittus. Auch bei denen, die nicht fasten. Denn der Monat sei eigentlich eine Zeit, da sitze man nicht alleine zu Hause, sondern koche zusammen. Das gemeinsame Erleben vermissten viele im Gefängnis besonders.

Gefängnis keine Ausnahme für das Fasten

Zwar gebe es auch Ausnahmen für das Fasten, zum Beispiel für Alte oder Kranke, Schwangere oder wenn man auf Reisen sei. Aber Gefängnis? Nein, das sei eigentlich keine gültige Ausnahme, erklärt der Seelsorger.

Eine Ausnahme [vom Fasten], nur weil man im Gefängnis sitzt, ist in der Regel nicht vorgesehen.

Druck von anderen Gefangenen, beim Fasten mitzumachen, habe er noch nicht erlebt. Denn es sei eine sehr persönliche Sache zwischen dem Gläubigen und seinem Schöpfer. Hochgerechnet sei es im Gefängnis eine Minderheit, die faste. Es gebe aber auch die Möglichkeit, einen anderen Bedürftigen zu speisen als Ausgleich, erzählt Tittus. Doch die Gefangenen seien meist selbst bedürftig, die Mittel seien dafür meist gar nicht da, so der Seelsorger.

Ramadan in der JVA Heilbronn
Ausgabe des Mittagessens: Gegessen wird in den Zellen bei verschlossenen Türen. Denn auch die Wachleute (oder zumindest ein Teil davon) haben dann Pause. An diesem Tag gibt es Nudeln in mediterraner Tomatensoße.

20 Euro am Tag als Kompensation

Ein anderer Gefangener hat sich genau dafür entschieden. Als er noch draußen war, habe er gefastet, erzählt er. Aber im Gefängnis finde er es schwierig. Draußen sei man einfach beschäftigt, habe seine Arbeit, komme erst abends nach Hause und dann zur Familie. Die vermisse er während der Fastenzeit besonders.

Auch er betont: Fasten oder nicht, das habe jeder für sich selbst zu entscheiden. Fasten tue man für sich, nicht für jemand anderen. Er spende jetzt pro Tag 20 Euro für eine arme Person, als Kompensation, schildert er. Entweder verschickt er das Geld selbst oder sein Vater übergibt es in der Moschee, damit es weitergegeben werden kann.

Zuckerfest eine Woche später als üblich

Zum Abschluss gibt es auch im Gefängnis ein Ramadanfest, umgangssprachlich auch Zuckerfest genannt. Das ist offen für alle, unabhängig vom Fasten - natürlich nur mit Antrag, ohne den geht kaum etwas im Gefängnis. In der Vergangenheit gab es da auch schon mal Döner, dieses Jahr gibt es stattdessen Baklava - eine Süßigkeit. Allerdings findet das Fastenbrechen in der JVA diesmal eine Woche später statt, da der islamische Geistliche zum eigentlichen Termin nicht da ist. Immerhin: Die Gefangenen müssten deswegen keine extra Woche Fasten dranhängen, meint Seelsorger Tittus schmunzelnd.

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