Wird die Organspende in Deutschland neu geregelt? Eine fraktionsübergreifende Abgeordnetengruppe wünscht sich das und hat deshalb am Montag im Deutschen Bundestag einen entsprechenden Antrag eingebracht. Das Ziel ist die sogenannte Widerspruchslösung. Das heißt, grundsätzlich ist jeder erst einmal Organspender, außer man widerspricht. Aktuell gilt in Deutschland die Entscheidungslösung. Eine Entnahme von Organen und Geweben nach dem Tod ist nur zulässig, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat oder stellvertretend die Angehörigen dies tun.
Viele warten auf Spenderorgan
Jutta Riemer aus Bretzfeld-Adolzfurt (Hohenlohekreis) ist seit vielen Jahren im Verein Lebertransplantierte Deutschland e.V. aktiv, aktuell als stellvertretende Vorsitzende. Dass beim Thema Organspende etwas geschehen muss, das liegt für die 71-Jährige auf der Hand. Allein in Baden-Württemberg würden rund 1.000 Menschen auf ein Spenderorgan warten, so Riemer.
Man könne gar nicht zufrieden sein mit der momentanen Regelung, macht Riemer ihre Sicht deutlich. Es sei überreif, dass eine Widerspruchsregelung endlich auch in Deutschland komme, sagte die Bretzfelderin im Deutschlandfunk.
"Jeder kann frei entscheiden"
In vielen Fällen wüssten Angehörige derzeit gar nicht, was der Wille des Verstorbenen sei, so Riemer. Das sei dramatisch. Ganz besonders wichtig ist für die 71-Jährige aber, dass auch mit einer Widerspruchslösung jeder Mensch nach wie vor frei entscheiden kann, ob er selbst Organspender sein möchte.
Jutta Riemer irritiert, dass die Bereitschaft zur Organspende eigentlich vorhanden sei. Bei Umfragen zeige sich, dass viele Menschen in Deutschland für eine Organspende seien. Dem widerspreche allerdings die Zahl der Ablehnungen.
Patientenschützer lehnt Neuregelung ab
In ganz Deutschland warteten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation Ende vergangenen Jahres knapp 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan. Diesen standen lediglich 2.900 Organspenden im Jahr 2023 gegenüber. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, lehnt die Widerspruchsregelung ab. Grundsätzlich sei jeder medizinische Eingriff ohne Zustimmung des Betroffenen eine Körperverletzung, sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Wer schweige, stimme nicht automatisch zu.
In den Ländern Europas, in denen es deutlich mehr Organspender gebe als in Deutschland, hätten erst organisatorische und strukturelle Maßnahmen zu steigenden Organspendezahlen geführt, sagte Brysch. "Deshalb braucht es jetzt finanzielle Anreize für Krankenhäuser, ein effizientes Transplantations-Netzwerk, Bildungsprogramme und die Schulung von Koordinatoren im Umgang mit Angehörigen", sagte der Patientenschützer.
Bundesländer mit Vorstoß
Auch acht Bundesländer setzen sich für einen erneuten Anlauf zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende ein. Anfang Juni war im Bundesrat erstmals ein Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen diskutiert worden. 2020 hatte sich der Bundestag gegen die Widerspruchsregelung entschieden.
Jutta Riemer blickt jetzt mit Spannung auf die weiteren politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Sie ist bis heute sehr dankbar für das Spenderorgan. "Ich lebe seit 27 Jahren mit der gespendeten Leber sehr gut", so die Bretzfelderin.