Rund 27.000 Firmen in Baden-Württemberg kämpfen derzeit mit der Frage nach der Nachfolgerin oder dem Nachfolger an der Spitze, so die Industrie- und Handelskammer (IHK) Heilbronn-Franken. Noch finden rund ein Drittel der Übergaben innerhalb der Familie statt - doch das klappt immer seltener. Wirtschaftliche Unsicherheiten schrecken ab, so die IHK. Und dann sind da noch die Interessen des Nachwuchses, die häufig zu individuell seien, erklärt Sidney Hribersek. Sie forscht zum Thema Familienunternehmen am Heilbronner Bildungscampus der Technischen Universität München (TUM). Die Übergabe an einen externen Kandidaten oder einen Mitarbeiter der Firma könne aber auch eine Chance für frischen Wind im Betrieb sein, sagt sie.
Wenn ein Familienmitglied, also ein potenzieller Nachfolger, bereits Karriere in einem anderen Unternehmen gemacht hat, dann sei es besonders schwierig, ihn oder sie fürs Familienunternehmen zu begeistern, heißt es von der IHK. Besonders, wenn Wert auf flexible Arbeitszeiten und eine ausgewogene Work-Life-Balance gelegt wird.
Handwerksbetriebe bleiben eher in Familienhand
Bei den Handwerksbetrieben scheint es mit dem Familiensinn (noch) etwas besser zu klappen: Laut der Handwerkskammer (HWK) Heilbronn-Franken werden etwa zwei Drittel der familiengeführten Betriebe innerhalb der Verwandtschaft an einen Nachfolger übergeben. Rund 1.000 Firmen sind es in Heilbronn-Franken, bei denen ein solcher Wechsel laut HWK in den nächsten zwei bis drei Jahren ansteht.
Haben Sohn oder Tochter kein Interesse am Familienbetrieb, dann bleibt zum Beispiel die Plattform nexxt-change. Dort können Betriebe einen externen Nachfolger suchen, beispielsweise frischgebackene Meister oder andere Existenzgründer. So bleibt der Betrieb erhalten und Gründerinnen und Gründer haben es ebenfalls einfacher.
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Interesse an Nachfolge ist zwar da - aber lässt nach
Hribersek von der TUM beobachtet bei ihren Forschungen, dass es zwar nach wie vor Nachfolgerinnen und Nachfolger gibt, die sehr gerne das Familienunternehmen weiterführen möchten. Aber gleichzeitig gebe es zunehmend den Trend, einen eigenen Karriereweg einzuschlagen, um Selbstverwirklichung außerhalb der Familie zu suchen.
Die Gründe sieht sie darin, dass gerade in Deutschland die Gesellschaft sehr individualistisch geprägt sei. Das führe dazu, dass ein potenzieller Nachfolger stärker darüber nachdenke, ob der elterliche Betrieb wirklich seine Passion sei. "Wir leben in einer Gesellschaft, in der es total wichtig ist, dass wir uns auch als Individuum ausleben können. Und das muss eben nicht immer der Schritt 'Familienunternehmen' sein", so Hribersek.
Nachfolge ist nach außen ein sensibles Thema
Nur selten wird das Thema Nachfolge in einem Unternehmen an die große Glocke gehängt. Es sei ein sehr sensibles Thema, das merke sie auch bei den Gesprächen mit den Unternehmen, sagt Hribersek. Inhaberin und Inhaber haben häufig die Sorge: Wie ist die Außenwirkung, wenn bekannt wird, dass wir in einem Übergabeprozess stecken - aber noch gar nicht wissen, wie der aussieht? Zuviel Transparenz könne dafür sorgen, dass es Unsicherheiten bei der Belegschaft gibt. Zum Beispiel darüber, wie lange das Unternehmen noch am Markt bestehen bleibt.
Andererseits: Komplett verschweigen könne man die Suche auch nicht - denn wie will man sonst überhaupt eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger finden?
"Das heißt, wir haben ein gewisses Paradoxon: Auf der einen Seite suche ich, auf der anderen Seite will ich nicht sagen, dass ich suche", so die Forscherin Hribersek von der TU München.
Da helfe vor allem eins: Sich sehr früh mit der Nachfolge auseinanderzusetzen. Eine Nachfolge könne durchaus fünf bis zehn Jahre dauern, von der ersten Entscheidung bis zur tatsächlichen Übergabe.
Je früher der Nachwuchs eingebunden wird, desto besser
Ein positives Beispiel sei das Bekleidungsunternehmen Trigema aus Burladingen (Zollernalbkreis), erklärt Hribersek. Hier habe die Nachfolge geklappt, weil die Kinder sehr früh mit ins Unternehmen eingebunden wurden. Im Laufe der Zeit hatten sie immer mehr Verantwortung bekommen und konnten so in die Rolle hineinwachsen.
Positiv sei außerdem, dass die Nachfolge an Sohn und Tochter ging. Denn nach wie vor gilt laut Hribersek: Die meisten Firmenchefs denken bei der Nachfolge zuerst an den Sohn, besonders, wenn er der Erstgeborene ist. Der Tochter würden viele den anstrengenden Job gar nicht zumuten wollen - ohne sie vorher überhaupt gefragt zu haben.
Externer Verkauf kann auch eine Chance sein
Klappt es mit der Weitergabe innerhalb der Familie nicht, muss das aber noch lange kein Makel sein, so Hribersek. In manchen Fällen kann der Verkauf der Firma auch einfach zur Planung gehören, um beispielsweise die Rente finanzieren zu können. Oder es gibt innerhalb der Firma fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für den Posten perfekt geeignet sind. Insofern stecke immer auch eine Chance darin - für neue Perspektiven, neuen Wind im Unternehmen. Und das beflügle wiederum Ideen und Innovationen.