Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (beide Grüne) wollen Frauenhäuser künftig stärker unterstützen. Das teilten sie bei einem Besuch des Frauenhauses in Heilbronn mit. Hintergrund ist die steigende Zahl von Gewalttaten gegen Frauen.
"An jedem Tag versucht in Deutschland ein Mann oder Ex-Mann seine Frau umzubringen. Und fast an jedem dritten Tag ist er damit erfolgreich", sagte Paus am Dienstag. "Frauen haben ein Recht auf Schutz vor Gewalt." Daher mache jeder einzelne Frauenhausplatz zusätzlich einen Unterschied.
Adresse der Frauenhäuser normalerweise unbekannt
Die Adressen der 44 Frauenhäuser in Baden-Württemberg sind unbekannt, damit Frauen und ihre Kinder anonym Zuflucht finden können. Mit dem Frauenhaus in Heilbronn will das Land jetzt neue Wege gehen. Als erstes sogenanntes Open-House Haus im Land ist hier die Adresse nicht geheim, sondern öffentlich bekannt.
Open-House-Modell aus den Niederlanden
Das Frauenhaus in Heilbronn mit sechs Plätzen orientiert sich am Open-House-Modell aus den Niederlanden. Hier gibt es einen Gitterzaun, Überwachungskameras, Schleusensysteme und Notrufknöpfe. Das Frauenhaus ist seit wenigen Wochen geöffnet und es ist bundesweit eines der ersten Frauenhäuser mit diesem neuen Konzept.
Ohne Anonymität und ohne Versteckspiel - denn das ist für die betroffenen Frauen und ihre Kinder auf Dauer sehr anstrengend, sagt Kathrin Geih von der Mitternachtsmission. Dabei gehe es auch darum, Kinder nicht unnötig zu belasten: "Die kommen in einer akuten Notsituation her, manchmal nur mit dem Nötigsten, müssen ganz viel aufgeben - und dann müssen sie in der Schule lügen." Dazu kommt die Digitalisierung: Handys und Ortungssysteme erschweren den Schutz von Frauen und Kindern in Häusern mit anonymer Adresse. Man müsse Handys kontrollieren und einstellen, es gebe Chips, die in Kuscheltiere eingebaut werden, da könne die Anonymität immer weniger gewährleistet werden, so Geih.
Offenes Konzept als Zukunftsmodell?
Nach wie vor soll es auch Frauenhäuser ohne bekannte Adresse geben, völlig in der Anonymität. Doch das offene Konzept ist ein Zukunftsmodell, betont Lucha, auch mit Blick auf den Täter-Opfer-Kontakt nach häuslicher Gewalt, wenn Kinder da seien.
Schutzräume für Frauen werden immer wichtiger, denn seit Jahren nimmt die Partnergewalt zu. Rund 15.000 Straftaten gab es im vergangenen Jahr allein in Baden-Württemberg. Das sind 25 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Weil mehr als drei Viertel der Opfer weiblich sind, will die Landesregierung die Zahl der Frauenhausplätze weiter ausbauen.
Frauenhaus in Heilbronn mit 3,5 Millionen Euro des Bundes
Aktuell gibt es im Land 835 Plätze in 44 Frauenhäusern, zum Teil mit Bundesmitteln gefördert, wie das neue Frauenhaus-Konzept in Heilbronn. "3,5 Millionen Euro des Bundes sind jetzt hier in dem Frauenhaus in Heilbronn und ermöglichen, dass es auch eine barrierefreie Einrichtung gibt für Frauen mit Behinderung oder für Frauen mit Kindern mit Behinderungen", so Paus.
Das aktuelle Investitionsprogramm läuft Ende 2024 aus. Die Familienministerin will sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung von Frauenhäusern auch darüber hinaus gesichert ist. Auch dafür diente der Besuch in Heilbronn.
Mehr als 600 Plätze in Frauenhäusern fehlen in BW
Wo in Baden-Württemberg neue Unterkünfte für Frauen in Not entstehen sollen und wann es finanzielle Unterstützung geben wird, ließen Paus und Lucha offen. Das Landessozialministerium plant zwar bis zu 130 neue Betten für Frauen - es fehlen jedoch mehr als 600 Plätze im Land.
Zuletzt hatten Frauenhäuser und Sozialverbände auf baldige finanzielle Hilfe und mehr Plätze gedrängt. Viele Frauen könnten sich die wenigen Plätze im Land nicht leisten, eine umfassende Finanzierung fehle.