Eine zerstörte Scheibe in der KfZ-Zulassungsstelle in Künzelsau.

Corona-Pandemie, Inflation und Energiekrise

Mehr Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst befürchtet

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Der Beamtenbund beklagt eine seit Jahren steigende Aggression gegen den öffentlichen Dienst. In Künzelsau hat ein Mann aus Rache Fensterscheiben im Landratsamt eingeworfen.

Im Landratsamt des Hohenlohekreises wird in den nächsten Tagen umgebaut, um die Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen. Auch sollen die Einlasskontrollen hochgefahren werden und es soll mehr Security geben, sagte Landrat Matthias Neth dem SWR. "Wir haben eine veränderte Sicherheitslage, auf die wir reagieren müssen", so Neth.

Vor wenigen Tagen hatte ein Mann fünf faustgroße Steine während der Öffnungszeiten in die Kfz-Zulassungsstelle geschleudert. Eine Mitarbeiterin wurde nur knapp verfehlt. Der Täter hatte zuvor Hausverbot bekommen.

Angriffe häufen sich seit Jahren

Ob im Jobcenter, bei der Polizei, der Feuerwehr, auf der Stadt oder im Gesundheitsamt: Die Fälle von Angriffen auf Mitarbeiter häufen sich, sagte Joachim Lautensack vom Beamtenbund in Baden-Württemberg dem SWR.

"Seit Jahren beobachten wir einen Anstieg von Angriffen auf Mitarbeiter von Behörden."

Auch in Künzelsau gab es schon Übergriffe, beispielsweise vor einigen Wochen in der Wohnheimverwaltung. Ein derart massiver Angriff wie jetzt sei aber neu, so Neth.

"Ausraster quer durch alle Schichten"

Der Beamtenbund vermutet landesweit eine hohe Dunkelziffer von Übergriffen und fordert ein Regelwerk, das festlegt, welche Vorfälle Behörden melden müssen, damit es ein klares Lagebild gibt. In der polizeilichen Kriminalstatistik landeten nur die angezeigten Straftaten. Viele Bedrohungen, Beleidigungen und Einschüchterungsversuche tauchten dort nicht auf, sagt Lautensack und verweist auf eine Studie aus dem Juni. Zudem gebe es Behördenleitungen und Vorgesetzte, die solche Vorfälle aus Imagegründen lieber intern regeln wollten.

Ausraster und Übergriffe gegenüber Mitarbeitern des Staates gibt es laut Beamtenbund quer durch alle Schichten. Er habe es selbst in seiner Zeit bei der Polizei erlebt, dass auch Doktoren, Professoren und Manager ausgeflippt seien, weil man ihnen ein Verkehrsdelikt vorwarf, so Lautensack.

Joachim Lautensack - Stellvertretender Landesvorsitzender des Beamtenbundes Baden-Württemberg.
Joachim Lautensack, Stellvertretender Landesvorsitzender des Beamtenbundes Baden-Württemberg.

Wachsender Egoismus und nachlassender Respekt

Als Hauptgrund für die seit Jahren zunehmende Aggressivität nennt der Beamtenbund einen Respektverlust gegenüber der Autorität des Staates. Es gebe ein "Anspruchsdenken" und einen wachsenden Egoismus in breiten Teilen der Gesellschaft. Lautensack mahnt, eine solche Haltung münde oftmals in eine aggressive Kommunikation und letztlich auch in Gewalt.

Höhere Gereiztheit in Krisenzeiten

Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sich diese Haltung noch verschärft.

"Wir stellen ja fest, dass wir in den letzten Jahren und während der Pandemie eine viel größere Gereiztheit hatten in der Bevölkerung. [...] Wir sind da in einer gewissen Sorge, weil das Zusammenleben funktioniert auch in einer Krise nur, wenn wir uns alle an Regeln halten und solidarisch miteinander umgehen."

Gut möglich also, dass auch die hohe Inflation und die Energiekrise Aggressionen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes weiter verstärken.

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