Rückbau soll in einigen Monaten beginnen

Atomausstieg: AKW Neckarwestheim geht am Samstag endgültig vom Netz

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Die Tage des Atomkraftwerks Neckarwestheim sind gezählt: Am kommenden Samstag wird planmäßig abgeschaltet. Gegner wollen das vor Ort feiern - jetzt gibt es auch die Genehmigung.

Der Betrieb am Reaktorblock 2 in Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) neigt sich dem Ende zu. Am 15. April 2023 sollen in Deutschland die letzten Atomkraftwerke (AKW) planmäßig heruntergefahren werden. Eigentlich hätten die letzten drei AKW in Deutschland schon am 31. Dezember 2022 vom Netz gehen sollen. Doch im Zuge der Energiekrise wegen des Krieges in der Ukraine hatte die Bundesregierung einen Streckbetrieb bis Mitte April genehmigt. Neben Neckarwestheim 2 laufen in Deutschland aktuell noch Isar 2 bei Landshut in Niederbayern und Emsland im niedersächsischen Lingen. Auch sie werden am Samstag abgeschaltet.

Streckbetrieb laut EnBW ohne Probleme

Das Ziel, in Neckarwestheim durch den Streckbetrieb 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom zu produzieren, werde bis zum endgültigen Aus am Samstag wahrscheinlich noch übertroffen, so die Betreiberin Energie Baden-Württemberg (EnBW). Der Streckbetrieb sei problemlos verlaufen. Da keine neuen Brennelemente genutzt werden, sondern die vorhandenen gebrauchten Brennelemente, lief der Meiler mit rund 70 Prozent seiner Leistung. Zwischenfälle habe es nicht gegeben. Nach der Abschaltung sollen die hochradioaktiven Brennelemente aus dem Reaktor entfernt und am Standort gelagert werden.

Rückbau beginnt voraussichtlich Ende des Jahres

Die Abschaltung erfolgt wie bei einer Revision: Die Leistung wird erst verringert, dann wird der Generator vom Netz getrennt - mit dem Unterschied, dass es diesmal bei der Trennung bleiben wird. Danach wird der Reaktor komplett heruntergefahren. Der Rückbau von Block 2 soll frühestens Ende dieses Jahres beginnen, schrittweise erfolgen und laut EnBW bis zu 15 Jahre dauern. Für den Rückbau aller fünf Blöcke kalkuliert das Karlsruher Unternehmen mit Kosten von neun Milliarden Euro. Das Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde werde den Rückbau intensiv begleiten.

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"Abschaltfest" der Atomkraftgegner kann stattfinden

Die kurzzeitige Verlängerung hatte in der Vergangenheit auch zu Protesten von Atomkraftgegnerinnen und -gegnern geführt. Regelmäßig demonstrierten sie gegen den Betrieb des AKW und legten Castor-Transporte zeitweise lahm. Jetzt wollen sie ein großes "Abschaltfest" am Wochenende auf dem Parkplatz des Atomkraftwerks feiern.

EnBW wollte das Fest zunächst nicht zulassen und Zelte und Bierbänke untersagen. Mit einer Kundgebung sei man einverstanden, eine Veranstaltung mit "Volksfestcharakter" sehe man jedoch als "inadäquat" an, hieß es von dem Energieunternehmen. Die Atomkraftgegner wollten in diesem Fall rechtliche Schritte prüfen. Der Versammlungsbescheid der Kreispolizeibehörde Ludwigsburg liegt jetzt vor, wie Mitorganisator Herbert Würth dem SWR am Mittwochabend sagte. Darin seien die angekündigten Verbots-Einschränkungen der EnBW nicht mehr enthalten. So kann das Fest wie geplant stattfinden.

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Nach 50 Jahren ohne Kernkraft, aber mit Atommüll

Für die Stadt Neckarwestheim sei es ein besonderes Ereignis, wenn nach fast 50 Jahren Kernenergie der Standort Mitte April endgültig vom Netz gehe, sagte Bürgermeister Jochen Winkler (parteilos) in der Vergangenheit dem SWR. Mit der Energiegewinnung in Neckarwestheim ist es dann zwar vorbei, nicht aber mit dem radioaktiven Abfall. Momentan habe Neckarwestheim noch eine Genehmigung als Zwischenlager bis 2046, so Winkler. Allerdings gibt es noch immer kein Endlager - es ist also unklar, wann der Atommüll tatsächlich aus Neckarwestheim abtransportiert werden kann.

Weniger Steuern: Neckarwestheim muss sparen

Der Ausstieg hat erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Gemeinde. Fünf bis zehn Millionen Euro Gewerbesteuer sprudelten nach Angaben von Bürgermeister Jochen Winkler jedes Jahr in die Kasse - vorwiegend durch das AKW. Mit dem Geld wurden Kindergärten ausgestattet, ein Jugendhaus und eine Veranstaltungslocation gebaut und ein großes Kulturzentrum eingerichtet. Auch Hotels und Gastronomie profitierten vom AKW.

Die Folgen des Atomausstiegs sind seit Jahren bekannt und der Haushalt deshalb Schritt für Schritt auf die Zeit nach dem AKW vorbereitet. Ein Zuschuss für Abwassergebühren etwa wurde schon gestrichen. "Wir haben die Luft rausgelassen", so Bürgermeister Winkler. "Wir leben von der Substanz."

Habeck: Atomausstieg unumkehrbar

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält den Atomausstieg in Deutschland für unumkehrbar. Die letzten drei Atomkraftwerke, die am 15. April vom Netz genommen werden, würden früher oder später zurückgebaut, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Laut Habeck gibt es auch kein Interesse von deutschen Betreibern, Atomkraftwerke neu zu bauen. In anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder Finnland habe ein Neubau immer zu einem ökonomischen Fiasko geführt. Das Energiesystem in Deutschland werde bald anders aufgebaut sein und bis 2030 zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien bestehen. Er könne garantieren, dass die Energieversorgung in Deutschland auch nach dem Atomausstieg gesichert sei, so Habeck.

FDP will AKWs betriebsbereit halten

Die FDP fordert, dass das AKW in Neckarwestheim ebenso wie die anderen beiden verbliebenen Atomkraftwerke auch nach ihrer Abschaltung für mindestens ein Jahr noch betriebsbereit bleiben. Das geht aus einem Grundsatzpapier der Partei zur Energiepolitik hervor, aus dem die "Welt am Sonntag" zitiert. Zwar würden die Atomkraftwerke nicht mehr für die Versorgungssicherheit in Deutschland gebraucht, Notsituationen seien aber möglich. Die Atomkraftwerke sollten demnach reaktivierbar bleiben, bis die weggebrochenen russischen Gaslieferungen vollständig aus anderen Quellen ersetzt werden können.

Mehrheit der Deutschen gegen Abschaltung

Die Menschen in Deutschland sind mehrheitlich dagegen, dass die Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet werden. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprechen sich 32 Prozent der Befragten dafür aus, dass die drei verbliebenen Meiler noch für einen begrenzten Zeitraum weiterlaufen.

Weitere 33 Prozent sind sogar für eine unbegrenzte Verlängerung der Laufzeiten. Dagegen halten nur 26 Prozent die Abschaltung zum jetzigen Zeitpunkt für richtig. Auch im ARD-Deutschlandtrend sprachen sich im vergangenen Sommer 41 Prozent der Befragten dafür aus, Atomkraftwerke langfristig weiterzubetreiben.

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