Das Schloss einer Zellentür in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Aachen

Beleidigungen, Bedrohungen, massive tätliche Angriffe

Baden-Württemberg: Immer öfter Gewalt gegen Vollzugsbeamte im Gefängnis

Stand

Gewalt in Gefängnissen gehört in Baden-Württemberg schon fast zum Alltag: Unter den Gefangenen, oft genug werden auch Vollzugsbeamte zu Opfern. Vorliegende Zahlen liefern Gründe.

Justizvollzugsbeamte in Baden-Württemberg sind immer wieder Übergriffen von Gefangenen ausgesetzt. Zu alltäglichen Beleidigungen und Bedrohungen kommen auch massive tätliche Angriffe hinzu: Mal landet eine Faust oder die Tür des Haftraums im Gesicht eines Beamten.

Immer wieder Fälle von Gewalt in JVAs

So wird vor dem Landgericht Tübingen ab Montag ein Fall verhandelt, der weitaus größere Folgen für den Beamten im Gefängnis in Rottenburg hatte: Der 31 Jahre alte Angeklagte übergoss den Bediensteten in dessen Büro mit heißem Öl. Der Mann erlitt Verbrennungen auf insgesamt acht Prozent seiner Körperoberfläche. Die Anklage lautet auf schwere und gefährliche Körperverletzung. Der Beamte ist seit dem Vorfall im September 2021 dienstunfähig.

Laut dem Vorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Alexander Schmid, war der betroffene Beamte alleine auf dem Stockwerk, wo die Unterkünfte der Gefangenen sind. Im Schnitt handle es sich um rund 50 Gefangene, denen ein Beamter auf einem Stockwerk ausgesetzt sei. "Mit dem Einzelkämpfertum der Beamten im Vollzug muss Schluss sein. Sie fühlen sich alleine gelassen", sagt Schmid, der selber seit 1991 im Justizvollzug in Baden-Württemberg tätig ist.

Forderung nach mehr Personal

"Wir brauchen wie die Polizei bei einer Streife zwei Bedienstete auf einem Stockwerk", so Schmid. Das Gefahrenpotenzial in den Gefängnissen im Land sei seit einigen Jahren ungleich größer. "Die Gefangenen werden immer problematischer in Bezug auf psychische Auffälligkeiten." Laut einer Untersuchung der interministeriellen Arbeitsgruppe "Modernes Medizinkonzept Justizvollzug" hat es laut Schmid in den Jahren 2005 bis 2015 in etwa konstant rund 2.500 Insassen mit solcherlei Problemen gegeben. "Die Zahlen sind seit 2015 explosionsartig gestiegen. 2019 beispielsweise gab es im Jahresdurchschnitt 6.500 Gefangene mit psychischen Auffälligkeiten".

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

Zur Einordnung: Es sind rund 15.000 Personen im Lauf eines Jahres zumindest zeitweilig im baden-württembergischen Justizvollzug untergebracht. Das Justizministerium erfasst Angriffe "ernstlicher Art", also solche, die eine Dienstunfähigkeit der Beamten zur Folge haben oder aufgrund der Taten oder anderer Umstände eine gewisse Schwelle überschreiten. Im Jahr 2021, also dem Jahr des Vorfalls im Gefängnis von Rottenburg, gab es laut der Behörde landesweit 29 Angriffe auf Bedienstete.

Auch die Politik ist alarmiert

Zum Schutz der Justizvollzugsbeamten habe es eine Vielzahl von Maßnahmen auch baulich-technischer Natur in den Gefängnissen gegeben, sagte eine Sprecherin des Justizministeriums. "In den vergangenen Jahren wurde die Ausstattung der Anstalten mit Personennotsignalanlagen vervollständigt." Dadurch seien moderne Alarmierungsmöglichkeiten geschaffen worden. In einer Konfliktsituation könne ein Justizvollzugsbeamter durch kurzen Knopfdruck alle Kollegen alarmieren, die direkt über den konkreten Standort in Kenntnis gesetzt werden.

"Jeder Übergriff auf einen Justizvollzugsbeamten ist einer zu viel."

Laut der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) sei die personelle Ausstattung der entscheidende Sicherheitsfaktor. "Unser Fokus liegt darauf, gerade den uniformierten Vollzugsdienst, der besonders häufig Angriffen ausgesetzt ist, personell weiter zu stärken". Das diene dem Schutz der Bediensteten, der Mitgefangenen und der Allgemeinheit, so Gentges.

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SWR