Nach der gemeinsamen Entscheidung von CDU, FDP und AfD im Thüringer Landtag, die Grunderwerbssteuer zu senken, äußern sich auch Politiker aus Baden-Württemberg. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) findet deutliche Worte: "Kein Fachthema ist je so wichtig, um dafür gemeinsame Sache mit der AfD zu machen", schrieb er am späten Donnerstag auf der Plattform X (vormals Twitter).
"Angela Merkel hätte die Ereignisse in Thüringen nicht zugelassen. Sie hätte es besser gewusst", so Bayaz weiter, der ein "elementares Interesse" Deutschlands "an einer staatstragenden CDU" sieht, "die steht und nicht wegkippt". Auf SWR-Anfrage wollte sich Bayaz am Freitagvormittag nicht näher dazu äußern.
AfD-Fraktion sieht sich als bürgerlich-konservative Kraft etabliert
Die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg begrüßt die Entscheidung in Thüringen. "Die künstlich aufgebauschte Brandmauer hat keinen Beistand", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Daniel Lindenschmid.
"Für uns ist nicht entscheidend, wer mit uns zusammenarbeiten möchte, sondern was der Wähler möchte", sagte Fraktionschef Anton Baron. Die AfD habe sich längst rechts von der Union als bürgerlich-konservative Kraft etabliert.
Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz dagegen kritisiert die Union scharf: "Das ist ja richtig fatal, was da passiert ist. Das ist ein Tiefschlag für den Parlamentarismus." Für die Grünen gelte: "Kein Fußbreit zur AfD". Eine Zusammenarbeit mit dieser "faschistischen, antisemitischen und rassistischen Partei" sei unmöglich. "Die AfD darf nicht Mehrheitsbeschaffer werden", sagte Schwarz.
BW-Fraktionschef Hagel nimmt Thüringer CDU-Fraktion in Schutz
Der Fraktionschef der CDU im Landtag, Manuel Hagel, hat Verständnis für die Situation der Thüringer CDU-Fraktion gezeigt. "Ich werde niemanden im Osten der Republik Ratschläge geben, wie er sich zu verhalten hat", sagte Hagel, der auch Vorsitzender der Konferenz der CDU-Fraktionschefs ist, am Freitag in Stuttgart. Er habe einen "Heidenrespekt" vor allen, die im Osten die Demokratie gegen die AfD verteidigen. Dort herrsche eine viel aggressivere Stimmung als in Baden-Württemberg.
Hagel bestritt, dass die CDU-Fraktion in Thüringen in der Frage der Grunderwerbsteuer mit der AfD zusammengearbeitet habe. Die CDU-Fraktion könne ihre Anträge nicht davon abhängig machen, ob eventuell die AfD zustimmen könne. Klar sei aber, "dass die AfD nicht zu einer Mehrheitsbeschafferin im Parlament werden darf". Hagel stellte klar: "Für uns als CDU gilt, wir dürfen unsere Politik nicht von Typen von der AfD abhängig machen. Ich trinke mit denen nicht mal einen Espresso." Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt würde dies auch so handhaben.
Reaktionen auch von FDP und SPD
Die Lage in Thüringen sei für die CDU schwierig, weil es dort eine Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grüne gebe, so Hagel. Der "Unvereinbarkeitsbeschluss" der CDU gelte nicht nur für die AfD, sondern auch für die Linke. Er plädierte dafür, viel weniger auf die AfD zu schauen. Die CDU dürfe politische Fragen nicht tabuisieren, auch Migrationsfragen müssten angegangen werden. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke weist auf die besondere Abstimmungslage in Thüringen hin.
Scharfe Kritik kommt von der SPD in Form des Landesfraktionsvorsitzenden Andreas Stoch: Die Geschichte lehre, wie fatal jede Zusammenarbeit mit Rechtsextremen endet, demokratische Parteien sollten das nicht vergessen, so Stoch gegenüber dem SWR.
Kritiker sehen CDU-"Brandmauer" nach rechts bröckeln
Im Thüringer Landtag war am Donnerstag eine Senkung der Grunderwerbssteuer von 6,5 Prozent auf 5 Prozent beschlossen worden. Insbesondere die CDU steht seitdem heftig in der Kritik. Denn die Initiative zur Senkung der Steuer, die beim Kauf von Immobilien fällig wird, ging auf die CDU-Fraktion zurück, die in Thüringen in der Opposition ist.
Der Entwurf erhielt nur deshalb eine Mehrheit, weil auch Abgeordnete von FDP und AfD sowie Fraktionslose dafür stimmten. In Thüringen regiert ein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen, das jedoch im Landtag keine Mehrheit hat. Kritiker sehen nun die vom CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz immer wieder betonte "Brandmauer" nach rechts und zur AfD bröckeln.
Dabei ist die Thüringer AfD von Björn Höcke einer der radikalsten Verbände der Partei. Der Verfassungsschutz des Landes stuft ihn als erwiesen rechtsextrem ein und beobachtet ihn.
Thüringer CDU-Landesvorsitzender dementiert Zusammenarbeit mit AfD
Mario Voigt, der CDU-Landesvorsitzende in Thüringen, sieht die Durchsetzung der Steuersenkung als eine Maßnahme, um unzufriedene Wähler wieder von der AfD zurückzugewinnen.
"Die Leute haben die Schnauze voll von diesen politiktaktischen Spielen, sondern was sie wollen ist, dass man sich tatsächlich um ihre Sorgen kümmert", sagte der Landtagsfraktionschef am Donnerstagabend in der ARD. Er bekräftigte: "Der Kompass der CDU ist klar: Wir arbeiten nicht zusammen mit der AfD." Absprachen mit ihr soll es vor der Abstimmung nicht gegeben haben.