Die Bilder, die vergangenes Wochenende vom AfD-Bundesparteitag in Essen durch die Medien gingen, dürften der Bundesvorsitzenden Alice Weidel gefallen haben: Luftküsse und scherzhafte Liebeserklärungen zwischen ihr und ihrem Co-Chef Tino Chrupalla sowie Delegierte, die die beiden in ihrem Amt stützen.
In Baden-Württemberg ging es zuletzt anders zu. Beim vergangenen Landesparteitag im Februar kam es fast zur Revolte: Mitglieder wollten einen Abbruch des Parteitags erzwingen, es kam zu tumultartigen Szenen. Zwischenzeitlich ließ die Parteispitze die Halle wegen Überfüllung räumen. Parteiinterne Gegner fochten ihre Kämpfe auf offener Bühne aus, nahmen sich gegenseitig das Mikrofon weg.
Letztlich wurden zwar auch die beiden baden-württembergischen Vorsitzenden, Emil Sänze und Markus Frohnmaier, im Amt bestätigt - doch die Rechtmäßigkeit der Wahl wurde danach von AfD-Mitgliedern angefochten. Vor allem aber produzierte der "Chaos-Parteitag" von Rottweil für die AfD negative Schlagzeilen und Bilder.
Doppelspitze aus Frohnmaier und Sänze im Amt bestätigt Chaos-Parteitag der AfD: Weidel kritisiert "Sabotage" durch parteiinterne Gegner
In Rottweil lieferte sich die BW-AfD am Wochenende eine chaotische Veranstaltung. Alice Weidel kritisierte ihre parteiinternen Gegner danach scharf und warf ihnen "Parteischädigung" vor.
Delegiertenparteitage vs. Mitgliederparteitage
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Bundesparteitagen der AfD und deren Landesparteitagen in Baden-Württemberg: Bei der Bundespartei treffen rund 600 Delegierte die Entscheidungen über Posten und Inhalte, bei der baden-württembergischen Landespartei dürfen alle Mitglieder abstimmen. Dadurch sind die Landesparteitage für die Parteispitzen schwierig zu steuern: Es ist schwer abzusehen, welche Strömung innerhalb der Landespartei die meisten Mitglieder für einen Parteitag mobilisieren kann. Dazu kommen praktische Probleme: Für die vielen Mitglieder braucht es größere Hallen, die Veranstaltungen kosten die AfD deutlich mehr Geld.
Rückblick: So lief der Chaos-Landesparteitag der AfD im Februar in Rottweil:
Deshalb stellte Weidel beim Bundesparteitag am Sonntag einen Antrag für eine Satzungsänderung vor: "zur Umstellung auf ein Delegiertensystem bei Landesverbänden über 5.000 Mitgliedern". Der Antrag zielt auf Baden-Württemberg und Bayern ab, die einzigen beiden AfD-Landesverbände, die noch Mitgliederparteitage durchführen. In Baden-Württemberg hat die AfD derzeit rund 5.900 Mitglieder, in Bayern sind es deutlich über 6.000.
"Direkte Demokratie mit Füßen getreten"
Doch kaum hat die Parteichefin den Antrag vorgestellt, regt sich Widerspruch in der Halle - vor allem aus Bayern und aus Baden-Württemberg, zum Beispiel vom Offenburger AfD-Stadtrat Taras Maygutiak: "Da wird die direkte Demokratie mit Füßen getreten und konterkariert", sagt er und plädiert für eine Ablehnung des Antrags.
Für Empörung sorgt bei einigen Delegierten außerdem, dass ein ähnlicher Antrag bereits beim Landesparteitag in Baden-Württemberg eingebracht - und von den Mitgliedern abgelehnt wurde. Dass die Parteispitze nun auf höherer Ebene, beim Bundesparteitag, die Änderung durchzusetzen versucht, verärgert sie.
Schwerer Schlag für Weidel
Tatsächlich scheitert Weidel mit dem Antrag: Zwar stimmen 62 Prozent der Delegierten dafür, doch damit verfehlt er die für eine solche Satzungsänderung notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit; für Weidel und die Parteispitze in Baden-Württemberg ein schwerer Schlag.
Weidel bezeichnet das Abstimmungsergebnis im SWR-Interview als "Sabotage für den Parteizweck" und sagt weiter: "Es gefährdet die Funktionsfähigkeit des Landesverbandes in Baden-Württemberg." Diejenigen, die den Antrag abgelehnt haben, hätten "entweder nicht verstanden, worum es geht, weil sie irgendwelche Hinterbänkler sind ohne Verantwortung", oder aber sie hätten das "wirklich vorsätzlich gemacht, um die Funktionsfähigkeit zu sabotieren" - das müsse man so deutlich sagen, so Weidel.
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Kosten in Millionenhöhe
Marc Bernhard, Sprecher der Landesgruppe Baden-Württemberg in der AfD-Bundestagsfraktion, betont die Auswirkungen der Entscheidung auf die Aufstellung der Kandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr und für die Landtagswahl im darauffolgenden Jahr. Da dabei alle Mitglieder stimmberechtigt sind, braucht es dafür dann Bernhard zufolge "sechs bis acht Aufstellungsversammlungen"; für jede einzelne davon brauche es eine Halle "mit Fassungsvermögen von 1.500 Mitgliedern mindestens". Sein Fazit: "So viele Hallen gibt’s gar nicht, die frei wären in Baden-Württemberg."
Dazu kämen die enormen Kosten: "Wir rechnen mit mindestens 1,5 Millionen Euro allein für die Aufstellungsparteitage", sagte Bernhard dem SWR. Er sehe die "Gefahr, dass es schwer wird, Listen ausreichend zu nominieren".
Wer Busse stellt, gewinnt?
Der Landesvorsitzende Sänze befürchtet, dass sich bei solchen Aufstellungsparteitagen vor allem solche Kandidaten durchsetzen könnten, die mit allen Mitteln möglichst viele Unterstützer mobilisieren, etwa indem sie ihnen Busse zur Anreise bereitstellen. "Eine 'Busokratie' führt die repräsentative Demokratie ad absurdum", sagt Sänze und meint damit, dass Kandidaten aus manchen Regionen künftig auf den Kandidatenlisten weniger vertreten sein könnten, weil Kandidaten aus anderen Regionen mehr Unterstützer mobilisieren.
Der baden-württembergischen AfD droht also jede Menge Unruhe. Eine Lösung des Problems haben die Parteispitzen offenbar nicht. Landesgruppenchef Bernhard bringt einen Landesparteitag ins Spiel, bei dem man noch einmal versuchen könnte, die Satzung zu ändern. Doch es ist fraglich, ob die Mitglieder dann, bei einem weiteren Anlauf, für ihre eigene Entmachtung stimmen würden.