Ein Weihnachtsgedicht mit Trude Herr
Es war im Advent 1934, als in einer Kölner Volksschule ein niedliches kleines Mädchen auf der Bühne stand. Gespannt blickten die Mitschülerinnen zu ihr hin – freundlich die Erwachsenen. Das Mädchen musste ein Weihnachtsgedicht aufsagen, innig und mit Betonung. Nach wenigen Zeilen brach der ganze Saal in Gelächter aus. An diesem Tag hatte "Tutti", wie Trude Herr von ihren Eltern, Geschwistern und Freunden genannt wurde, ungewollt ihren ersten Publikumserfolg errungen.
Die heimliche Schauspielerin
Von Kindesbeinen an hatte sie nur die Kunst im Kopf. Schon die Nachbarskinder mussten mit ihr Theater spielen, alte Gardinen dienten ihr als Kostüme. Nach dem Besuch der Volksschule besuchte sie gegen den Willen ihres Vaters heimlich die Schauspielschule in Düsseldorf, welche sie 1947 erfolgreich abschloss.
Von Willy Millowitsch fürs Theater entdeckt
Ihre Karriere begann als Statistin bei einer Aachener Wanderbühne. Dann entdeckte sie Schauspielkollege und Regisseur Willy Millowitsch und verpflichtete sie an sein Theater in Köln. Doch Trude Herr wollte mehr. Bereits kurz nach der Währungsreform gründete sie zusammen mit einem Kollegen ihr erstes eigenes Theater – die "Kölner Lustspielbühne". Mit entwaffnender Offenheit bemerkte sie später: "Als es uns endlich gut ging, waren wir pleite." Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, begann sie als Bardame in einem Homosexuellen-Lokal zu arbeiten.
Vom Karneval zum Kabarett
Mitte der 50er-Jahre fand sie im Kölner Karneval ein neues Betätigungsfeld und war eine der ersten Büttenrednerinnen. Doch als sie 1959 eine kritische-boshafte Büttenrede von der "Karnevalspräsidentengattin" nicht halten durfte, war dieses Kapitel für sie abgeschlossen. Zwischenzeitlich hatte sie das Kabarett für sich entdeckt, das ihr ein neues Podium bot. Dort brillierte sie mit einem Solo-Sketch als Fernsehansagerin und trat damit im Sommer 1958 in Willy Schaeffers Kabarett "Tingel-Tangel" in Berlin auf. Bei dieser Gelegenheit wurde sie für den Film entdeckt.
Als Fahrlehrerin an der Seite von Heinz Erhardt
1959 drehte sie gleich vier Filme, darunter "Natürlich die Autofahrer". Unvergessen bleibt sie in der Rolle der Fahrlehrerin "Frau Rumberg", die Heinz Erhardt das Autofahren beibringen musste. In ihren über 30 Filmen war sie meist auf die Rolle der "dicken Ulknudel" festgelegt und sie ließ nichts aus, um diesem Klischee gerecht zu werden.
Sie zwängte sich in viel zu enge Brokatkleider und tanzte darin Twist. Damit fiel das temperamentvolle Frauenzimmer positiv aus dem üblichen, manchmal etwas spießigen Rahmen und wurde zu einer der originellsten Erscheinungen auf der Leinwand.
Ich will keine Schokolade
Karnevalisten kannten Trude Herr bereits aus der Saison 1957/58 als Schallplattenkünstlerin. Anfang Dezember 1959 nahm sie in Berlin ihre erste Schlager-Platte auf: "Ich will keine Schokolade" wurde gleich zum größten Hit ihrer Schallplatten-Karriere. Zwölf Wochen konnte sie sich 1960 damit in den Hitparaden behaupten. Erfolge wie "Morgens bin ich immer müde", "Weil ich so sexy bin" oder "Ich bin eine Frau von Format" schlossen sich an.
Die Sahara war ihre zweite Heimat
Das Reisen war ihr großes Hobby und vor allem die Sahara hatte es ihr angetan, wohin es sie immer wieder zog. Dort hatte sie eine zweite Heimat gefunden und konnte den Stress des Alltags hinter sich lassen: "Die Sahara ist für mich ein Zuhause, das mich nicht einsperrt. Vor allem weil sie mein Bedürfnis nach Einsamkeit erfüllt", erzählte sie darüber.
Ihr "Theater im Vringsveedel"
Als sich Mitte der 60er-Jahre der Publikumsgeschmack änderte, rückte das Filmgeschäft in den Hintergrund. So kehrte sie zu ihren Wurzeln zurück und spielte Theater. Nachdem sie vom klassischen Volkstheater genug hatte, ging sie neue Wege und gründete 1977 in einem alten Kölner Kino ihre eigene Bühne. In ihrem "Theater im Vringsveedel" war sie von der Intendantin und Autorin bis hin zur Schauspielerin und Kostümbildnerin in Personalunion tätig. Häufig hat sie in ihren Werken zeitgemäße Themen aufgegriffen und Gesellschaftskritik geübt. Von ihrem "reformierten Volkstheater", wie sie es nannte, war das Publikum begeistert und ihr Haus stets ausverkauft.
Der letzte Vorhang fällt
1986 fiel in ihrem Theater der letzte Vorhang. Nach mehreren Operationen war ihre Gesundheit schwer angeschlagen. Oft musste sie sich mit Schmerzen auf die Bühne plagen. Zudem hatte sie sich mit der Stadt Köln überworfen, da ihr die von ihr wiederholt beantragten Subventionen versagt blieben. Sie kehrte ihrer Heimatstadt den Rücken und versprach sich vom milden Klima der Fidschi-Inseln Linderung ihrer körperlichen Leiden. Dort widmete sie sich ihrer schriftstellerischen Arbeit und der Zucht von Champignons. Todkrank kam sie 1991 nach Europa zurück und zog in ein Haus in Südfrankreich, wo sie am 15. März 1991 im Alter von 63 Jahren an Herzversagen starb.
Niemals geht man so ganz
Auch wenn sie es selbst nicht so tituliert haben wollte, ihre LP "Ich sage, was ich meine" war das Abschiedsgeschenk von Trude Herr an ihr Publikum. Ihre selbstgetexteten Lieder, die größtenteils Cover-Versionen von Pop-Klassikern waren, wurden zum Spiegel der ebenso couragierten wie zerbrechlichen Persönlichkeit der Künstlerin – darunter "Niemals geht man so ganz". Als sie den Titel in der TV-Sendung "So isses" vorstellte, wurde sie von den Zuschauern gefeiert. Es war ihr letzter großer Erfolg.
Biografie von Trude Herr
Leben | Geboren 4.5.1927 in Köln, gestorben 16.3.1991 in Aix-en-Provence |
Kindheit | Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und Entbehrungen gehörten zum Alltag. Ihr Vater war Kommunist und wurde vom NS-Regime viele Jahre lang inhaftiert. |
Hits | Mit "Ich will keine Schokolade" erreichte sie 1960 Platz 18, mit "Niemals geht man so ganz" 1987 Platz 20 der deutschen Hitparade. |
Autorin | "Und plötzlich kippt es um – Zwei Erzählungen" |
Auszeichnung | 1988 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. |
Denkmal | Ihr zu Ehren wurde in Köln im Park am Stollwerck ein Denkmal errichtet. |