Vom Koch zum Rock'n'Roller
"Ich habe Koch gelernt, weil ich immer Hunger hatte und nie genug zu essen" erinnerte sich Frank Farian rückblickend. Er arbeitete in verschiedenen Hotels und sein Beruf führte ihn Ende der 1950er Jahre vom heimatlichen Saarbrücken ins luxemburgische Ettelbrück. Hier fand das Schlüsselerlebnis statt, das seinen weiteren Lebensweg nachhaltig beeinflussen sollte: Alljährlich gab es zu Ehren von General Patton, der Luxemburg von den Nazis befreite, ein großes Fest. Ein riesiges Zelt war aufgebaut, aus dem Rock’n’Roll-Klänge nach draußen drangen. "Die spielen Schallplatten" dachte der junge Mann und trat ein. Dann die Überraschung: Auf der Bühne spielte eine Band, die ihn restlos begeisterte.
Er kehrte ins Saarland zurück und aus dem Koch war ein Rock ’n’ Roller geworden. Sämtliche Ersparnisse flossen in den Erwerb von Musikinstrumenten, Verstärkern und Lautsprechern. Er gründete seine eigene Band, gab zahllose Konzerte in der Region und war Garant für volle Lokalitäten. "Frankie Farian und die Schatten" boten nicht nur heiße Musik, sondern auch die dazu passende Show – mal traten sie im Glitzeranzug auf, mal mit Ku-Klux-Klan-Hauben verkleidet. 1963 entstand in einem alten Kuhstall die erste Schallplatte ("Shouting Ghost"), die im Selbstvertrieb unter die Leute gebracht wurde. Ein Auftritt im legendären Hamburger Starclub im Jahr 1964 war der Höhepunkt dieser Zeit.
Farian kommt aus kommerziellen Gründen zum Schlager
Eine Begegnung mit Monti Lüftner, dem Plattenboss der Ariola, brachte 1967 die Wende: "Was willst Du mit diesem Kram? Das haben wir hier tonnenweise liegen. Um Erfolg zu haben musst Du deutsch singen." Frank Farian unterschrieb den Plattenvertrag: "Ich war völlig niedergeschlagen, aber ich war pleite." Die Band war damit passé, die Karriere als Schlagersänger nahm ihren Anfang. Er begann zu produzieren und kümmerte sich um erfolgsversprechende Nachwuchskünstler. 1976 stellte sich für ihn persönlich mit "Rocky" der langersehnte Erfolg ein. Erstmals belegte er den Spitzenplatz der Hitparade.
Eine Art "schwarze Karibikmusik mit Discobeat"
Die Erfolge schafften ihm finanzielle Spielräume, so dass er sich ein Studio mieten konnte, um abseits vom Schlager experimentieren. Bei dieser Gelegenheit entstand "Baby do you wanna bump", das er selbst einsang und unter dem Namen "Boney M." veröffentlichte. "Das war so eine Art schwarze Karibikmusik mit Discobeat" erinnerte sich Frank Farian. Plötzlich war diese Nummer in mehreren europäischen Hitparaden vertreten und Fernsehanfragen trafen ein. Nun steckte er in der Zwickmühle: Er, der Schlagersänger, konnte unmöglich damit auf dem Bildschirm auftreten.
Boney M. war geboren
Mit Hilfe einer Castingfirma wurde nachträglich eine Gruppe zusammengestellt: "Das Neue daran war, dass ich für meine tiefe Stimme einen Tänzer gebraucht habe, der im Fernsehen dazu die Mimik gemacht hat." Diesen Part übernahm Bobby Farrell, hinzu kamen drei Damen aus der Karibik. Als ein absoluter Glückgriff erwies sich die Leadsängerin Liz Mitchell, die bereits bei den Les Humphries-Singers mit dabei war. Das Quartett mischte weltweit den Musikmarkt auf und Frank Farian hatte seine wahre Begabung, das Produzieren, entdeckt.
Hits am Fließband: "Daddy Cool", "Sunny", "Rivers of Babylon", "El Lute" und viele mehr. 1978 wurde Boney M. von der Königin von England höchstpersönlich geehrt und gleich im Anschluss flog die ganze Truppe in die Sowjetunion, nachdem der KPdSU-Generalsekretär Breschnew die Erlaubnis für zehn Konzerte erteilt hatte. Die Gruppe sang und tanzte auf dem Roten Platz von Moskau vor fast 3.000 Zuschauern. Nur der Song "Rasputin" war den Machthabern ein Dorn im Auge und durfte aus historischen Gründen nicht gesungen werden.
Ein ganzes Jahrzehnt dauerte das Boney M.-Wunder an. Dabei war es ein offenes Geheimnis, dass Bobby Farrell auf der Bühne nur die Lippen zu Frank Farians Gesang bewegen durfte.
Milli Vanilli – "das haben wir so laufen lassen"
Es war nicht der einzige musikalische Schwindel, der aus seiner Hitküche serviert wurde. 1988 betrat Milli Vanilli die Showbühne: "Das war ein musikalisches Projekt im Studio, das wir aus dem Stegreif gemacht haben." Zusammen mit einem befreundeten Sänger und einem Rapper hat er "Girl you know it’s true" eingesungen. Die Produktion war fertig, als zufällig zwei Jungs in Studio kamen, die dazu ein Tanzvideo machen wollten. "Und dann haben wir das so laufen lassen, da hat kein Mensch dran gedacht, dass das so ein Riesenhit wird."
Skandal mit tragischen Folgen
Nicht nur in Europa, vor allem auch in den USA räumten Milli Vanilli ab. Neben Edelmetall gab es sogar einen Grammy. Doch dann flog der Schwindel auf und die beiden Akteure entpuppten sich als Song-Statisten. Unerfreuliche Folgen für die Beteiligten: der Grammy musste zurückgegeben werden und die juristischen Folgen schlugen mit über drei Millionen Dollar zu Buche. Rob Pilatus, einer der beiden Tänzer, hat sein Leben nach diesen Ereignissen nicht mehr in den Griff bekommen und verstarb im Alter von nur 33 Jahren vermutlich an den Folgen von Drogen- und Medikamentenmissbrauchs. Ein schwerer Schlag für Frank Farian.
"Musik ist 'ne Droge"
Bis 2024 lebte Frank Farian in Florida und war bis zu seinem Tod immer noch recht rührig: "Ich brauch‘ die Arbeit, das ist für mich wie eine Droge. Und Musik ist ’ne Droge. Und Erfolg ist auch ’ne Droge. Ich habe gern Erfolg." Einer der Höhepunkte in seiner Karriere war die Uraufführung des Musicals "Daddy Cool" im Jahr 2006 in London, ein Jahr später wurde es in Berlin gezeigt.
Im Januar 2024 ist Hitproduzent Frank Farian im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Miami gestorben.
Steckbrief von Frank Farian | |
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Geboren / Gestorben | 18. Juli 1941 als Franz Reuther in Kirn, gestorben 2024 in Miami |
Nr. 1-Hit als Sänger | Rocky (1976), 26 Wochen in der Hitparade |
Produzent von | Boney M., Milli Vanilli, Eruption, Precious Wilson und auch Bruce Low. |
Zitat | Auf die Frage, was die Boney-M.-Songs so zeitlos macht, sagte Farian: "Man macht etwas nach seinem Gefühl, voller Leidenschaft und irgendwann steht man vor dem Ergebnis. Und dann wundert man sich." |
Besondere Plattencover von Frank Farian