Mit 17 Jahren spielte der am 2. Mai 1936 im indischen Madras (heute: Chennai) geborene Arnold George Dorsey, so sein bürgerlicher Name, in einem Pub Saxophon, als dort ein Gesangswettbewerb ausgetragen wurde. Seine Freunde drängten ihn dazu mitzumachen. Er überraschte das Publikum mit seinem Gesangstalent und einer perfekten Imitation des Komikers Jerry Lewis. In Anlehnung daran "erfanden" seine jungen Fans den Namen "Gerry Dorsey", der für die nächsten zehn Jahre sein Künstlername blieb. Seine gerade erst begonnene Karriere wurde durch den Militärdienst unterbrochen, den er übrigens in Deutschland ableistete.
Anfänge in Armut: Drei Mark Sozialhilfe mussten reichen
Wieder Zivilist, nahm Gerry seine Karriere erneut in Angriff und ein erster Schallplattenvertrag wurde geschlossen. Titel wie "I’ll never fall in love again" oder "Crazy bells" liefen nur mäßig erfolgreich und er verdiente seinen Lebensunterhalt mit Auftritten in diversen Lokalitäten. Eine schwere Lungenerkrankung zwang ihn dazu, seine musikalische Laufbahn monatelang zu unterbrechen. Rückhalt fand er bei seiner Frau Pat. Die junge Familie wohnte in einem Möbelladen in einem etwas heruntergekommenen Wohnviertel im Westen von London. "Damals mussten wir von drei Mark Sozialhilfe am Tag leben", erinnerte sich Engelbert in einem Interview.
Erst den "Tiger" Tim Jones, dann den romantischen Engelbert
Das Zusammentreffen mit Gordon Mills, einem Freund aus früheren Tagen, erwies sich als Glücksfall. Dieser galt im britischen Musikzirkus als erfolgreicher Talentsucher, Produzent und Komponist. Eben hatte er Tom Jones groß herausgebracht und nun hielt er nach einem Pendant Ausschau, das die romantische Welle bedienen sollte. Gerry Dorsey schien die Idealbesetzung hierfür zu sein. Er verpasste ihm den Künstlernamen „Engelbert Humperdinck“ und verhalf ihm zu einem neuen Plattenvertrag. Auf einer USA-Reise entdeckte Mills die alte Country-Ballade "Release me" und hatte die Idee, den Song mit seinem neuen Schützling herauszubringen. Am 13. Januar 1967 stand die Platte in den Geschäften.
Engelberts Durchbruch mit "Release me"
Ein Zufall gab der Karriere von Engelbert den entscheidenden Schub: auf der Gästeliste der erfolgreichen britischen TV-Show "Sunday Night at the Palladium" stand der Sänger Dickie Valentine, der kurz vor der Sendung erkrankte. Engelbert sprang ein und konnte "Release mes" vor einem Millionenpublikum präsentieren. Die Nummer schlug ein wie eine Bombe. Alle fragten nach der Platte von jenem smarten Sänger mit dem ungewöhnlichen Namen. Im Handumdrehen landete die Single auf Platz 1 der britischen Hitparade.
85.000 verkaufte Singles am Tag: Engelbert räumt ab
Der Erfolg blieb nicht auf England beschränkt, andere Märkte wie beispielsweise Amerika und Deutschland folgten. Weltweit gingen über fünf Millionen Exemplare der Single über die Ladentische, davon eine Million in Großbritannien, wo an einem Rekordtag 85.000 Stück verkauft wurden. Mit "There goes my everything" und "The last waltz" legte Engelbert zwei weitere große Treffer nach und binnen eines Jahres war aus dem unbekannten Sänger Gerry Dorsey der Weltstar Engelbert geworden. Bereits im November 1967 startete er seine eigene Fernsehshow.
Engelbert war der Mann der Galas und Shows
Besonders in Amerika war Engelbert ein gefragter Mann, so dass er bald zum Pendler zwischen der alten und der neuen Welt wurde. Als Anfang der 1970er Jahre die Plattenverkäufe sanken, konzentrierte er sich auf große Bühnenshows. Über viele Jahre hinweg war er gut ein Drittel des Jahres auf immer derselben Route unterwegs: Las Vegas, Reno, Lake Tahoe, Atlantic City und zurück. Dort feierte er wahre Triumphe in den größten Show-Palästen.
Jack White und Dieter Bohlen machen ihn wieder groß
Nachdem er sich bei uns rar gemacht hatte, gelang ihm hierzulande Mitte der 1980er Jahre ein glänzendes Comeback. Neben seinen Nonstop-USA-Engagements wurde Deutschland zu seinem neuen Terrain und wichtigsten Schallplattenmarkt. Vornehmlich Jack White und Dieter Bohlen schrieben für ihn maßgeschneiderte Titel. Ausgedehnte Tourneen führten ihn durch die deutschsprachigen Länder, um seine alten wie auch die neuen Hits seinem Publikum live zu präsentieren.
Preise satt: Hollywood-Stern und goldene Schallplatten
"Die vergangenen Jahre kommen mir wie ein Abenteuer, wie eine Story ohne Drehbuch vor", erklärte Engelbert vor einiger Zeit in einem Interview. Voller Stolz kann er auf das Erreichte zurückblicken: 64 vergoldete Alben, 23 in Platin, vier Grammy-Nominierungen, ein Golden Globe und Sterne auf dem "Walk of Fame", sowohl in Hollywood als auch in Las Vegas. Er hat mehrmals für die Königin und viele Staatsoberhäupter gesungen. Sein Repertoire hat eine beachtliche Bandbreite und reicht von den romantischsten Balladen bis hin zu Filmthemen, Disco, Rock und sogar Gospel. Auch im fortgeschrittenen Alter zeigt er sich noch offen für Neues: Im Juli 2020 präsentierte er sein erstes Live-Streaming-Konzert auf YouTube.
Abschied von der Ehefrau Pat
Im Februar 2021 musste Engelbert Abschied von seiner Frau Patricia Healey nehmen. Sie war im Alter von 85 Jahren verstorben. Die beiden waren seit 1964 verheiratet gewesen und hatten zusammen vier Kinder.