Werk
So beginnt der 1957 erschienene Roman "Homo faber" des Schweizer Schriftstellers Max Frisch. Was seinen Helden, den Ingenieur Walter Faber, im Zuge seiner Reise von New York nach Lateinamerika erwartet, ist tatsächlich eine ungeheure Konstellation. In Fabers Weltverständnis kommen Unberechenbarkeit, Schicksal oder Zufall nicht vor.
Den ersten Riss erhält Fabers Weltbild, als sein Flugzeug in der mexikanischen Wüste notlanden muss. Damit beginnt eine Kette tragischer Verstrickungen, die der Erzählung eine Dynamik geben, wie man sie aus den antiken Tragödien kennt. Der über fünfzigjährige Faber, bislang beziehungsunfähig und gefühlskalt, verliebt sich im Laufe der Romanhandlung in Sabeth, eine Frau, die über dreißig Jahre jünger ist als er. Während einer gemeinsamen Reise nach Griechenland, wo sie ihre Mutter besuchen will, geht Walter Faber mit Sabeth ins Bett. Nach und nach kommt ihm eine schreckliche Ahnung, die bald zur Gewissheit wird: das Mädchen ist seine Tochter, und Hanna, ihre Mutter, jene Geliebte, die Faber vor langer Zeit sitzen ließ. Doch damit nicht genug: Die junge Frau stirbt, nicht ganz ohne Walter Fabers Schuld, an einem Schlangenbiss. Und der Held des Romans erkrankt tödlich an Magenkrebs.
Max Frisch und die Hintergründe
"Homo faber" ist nicht nur eine Romanfigur, sondern ein feststehender anthropologischer Begriff. Er bezeichnet seit der Antike den Menschen als Handwerker, das werkzeugmachende Wesen, das eben nicht nur geistig tätig ist, sondern auch herstellend. Bevor er Schriftsteller wurde, arbeitete Max Frisch zunächst als Architekt, also ebenfalls in einem technischen Beruf. Er sah den Homo faber als charakteristischen Menschen des technischen Zeitalters. Wie der Stoff in Max Frisch reifte, wird deutlich, wenn man seine Tagebücher aus den vierziger Jahren liest. Unter dem Eindruck des hochtechnisierten Zweiten Weltkrieges und vor allem der Atombombenabwürfe heißt es dort:
Max Frischs Schreibsituation in den 1950er Jahren war beeinflusst von einer massiven Technikkritik durch die Geisteswissenschaften. Schriften wie „Die Antiquiertheit des Menschen“ von Günther Anders, oder Martin Heideggers "Frage der Technik" wurden damals breit diskutiert. Was Max Frisch interessierte, war die Frage, was mit einem Menschen geschieht, der sich über Technik, Wissenschaft und Fortschritt definiert. Der Roman „Homo faber“ ist auch eine Bestandsaufnahme dessen, was bei einer solchen Weltsicht alles auf der Strecke bleibt: Kommunikationsfähigkeit, die Kunst des Mitfühlens und die Wahrnehmung der eigenen Ängste und Sehnsüchte. Das Buch, vor mehr als fünf Jahrzehnten geschrieben, gilt heute als Klassiker der Beschreibung des Menschen im technischen Zeitalter.
Aktualität
Im Roman „Homo faber“ zeigt Max Frisch auf, wie der moderne Mensch der Frage nach sich selbst ausweicht, wie er sich betäubt durch die scheinbaren Segnungen der Technik. Hier liegt die Aktualität dieser großen Erzählung, denn heute scheinen wir umgeben von Ablenkungen, Spielzeugen und sinnleerer Kommunikation. Durch die Narkosemittel Technik und Fortschritt flüchten wir vor der Gewissheit unserer Endlichkeit.
Max Frischs Romanfigur Walter Faber, der Ingenieur, hat keine Beziehung zu seiner inneren Welt, schon gar nicht kann er sich in den Gefühlskosmos seiner Mitmenschen hineinversetzen. Sein Reden ist kalt, eindimensional und beziehungslos. Und gerade an der Sprache macht Max Frisch deutlich, wie dem Einzelnen Dimensionen seines Selbst verloren gehen. Der Schriftsteller artikuliert bereits in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Sorge, die heute, angesichts sozialer Kommunikationsnetzwerke wie Facebook oder Twitter auf der Tagesordnung steht: die Verkümmerung unserer Kommunikation, ihre Pervertierung zum Austausch nichtssagender Information.
Manche Sätze aus Max Frischs "Homo faber" kann man sich fast als Statements eines zeitgenössischen, technikbegeisterten Bloggers denken. Denn Fabers Sprache ist knapp, zuschlagend, und von dem unterkühlten Charme einer rasch hinaus gejagten Email: