Hänsel in der DDR
Das Musical „Hedwig and the Angry Inch“ erzählt die tragikomische Geschichte der Sängerin Hedwig, die in der ehemaligen DDR als Hänsel geboren wurde. Hänsel lebt in Ostberlin, der Vater ist kurz nach der Geburt verschwunden, die Mutter lieblos. Hänsel träumt sich in eine andere Welt mit Hilfe eines amerikanischen Radiosenders.
Die Musik ist seine erste große Liebe. Hänsel wird von großer Sehnsucht gepackt. Er lernt einen amerikanischen Soldaten kennen, der diesen zarten Knaben zuerst für eine Frau hält. Er verführt Hänsel mit Gummibärchen und bisher unbekannten, klebrigen Süßigkeiten.
Geschlechtsumwandlung und Auswanderung
Hänsel soll nun die Frau des Soldaten werden und mit in die USA kommen. Die Mutter findet die Idee glänzend und stiftet sogar ihren Pass, ihren Namen – und die Operation.
Doch die Operation wird dilettantisch durchgeführt und zurück bleibt ein ca. 2,5 Zentimeter großer Rest seiner Männlichkeit, ein „angry inch“ wie Hedwig es nennt.
Ein paar Jahre später sitzt Hedwig geschieden und mittellos in einem Wohnmobil irgendwo in Kansas und sieht im Fernsehen, wie in ihrer alten Heimatstadt die Mauer fällt.
Rückkehr nach Deutschland
Hedwig kehrt zurück und wird zur Sängerin. Der Glamour ihres extravaganten Outfits kann aber nur kurz darüber hinwegtäuschen, dass die Chanteuse Hedwig lediglich in drittklassigen Clubs mittelgroßer Städte herumtourt. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen und erzählt ihrem Publikum schonungslos wie sie wurde, wer sie ist.
Hedwig sucht ihr Glück. Häufig wird sie ausgenutzt, manchmal nutzt sie selbst andere aus. Der Schauspieler Pål Fredrik Kvale spielt Hedwigs zerrissene und extravagante Persönlichkeit mit großem Einfühlungsvermögen.
Unterhaltsames Stück für Toleranz
Die Fragen, die das Stück stellt, sind: Ist Hedwig selbstbestimmt und frei? War ihr Weg richtig? Sind die Opfer nicht zur groß? Das Junge Staatstheater geht sensibel auf diese Fragen ein, ist dabei unterhaltend und nicht belehrend. Am Ende gibt es Standing Ovations für die Darstellenden und die Band – und wohl auch das Stück als Plädoyer für eine offenere, tolerantere Gesellschaft.
Das Musical ist gedacht für Jugendliche ab 15 Jahren. In Amerika bereits als Film und Broadway-Show beliebt, ist es nun in Karlsruhe zu sehen, in einer Inszenierung von Otto A. Thoß.