SWR1 Sonntagmorgen

Ruf nach Frieden und Reformen - der Katholikentag in Erfurt

Stand
Autor/in
Cüneyt Özadali
Michael Lehmann
Moderator Michael Lehmann aus dem SWR1 Team moderiert immer wieder den SWR1 Sonntagmorgen  Feiertagsmorgen.
Hans Michael Ehl

Mit einem Abschlussgottesdienst unter freiem Himmel ist der Katholikentag in Erfurt zu Ende gegangen. Mit etwas mehr als 20.000 Teilnehmern war das diesjährige Treffen deutlich schlechter besucht als die vergangenen Katholikentage.

Die Veranstalter ziehen eine positive Bilanz: Das Experiment mit sehr viel weniger Veranstaltungen in einer kleineren Stadt mit gerade mal sieben Prozent Katholiken sei geglückt, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Für Thomas Söding, den Vizepräsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ist der Brückenschlag zwischen den mehr als 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und der vielfach nicht-christlich geprägten Stadtgesellschaft gelungen.

Veranstaltungen offen gestaltet

Söding erklärte für die Veranstalter, er habe von keinerlei negativen Kommentaren der Erfurter zu den Veranstaltungen des Katholikentreffs gehört. Viele der kulturellen und religiösen Angebote bis hin zu den großen Gottesdiensten seien so offen gestaltet worden, dass sie das Interesse der Bürgerinnen und Bürger geweckt hätten. In Thüringen sind Christen eine Minderheit. Nur sieben Prozent gehören der katholischen Kirche an.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Eröffnung des 103.Deutschen Katholikentags in Erfurt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Eröffnung des 103.Deutschen Katholikentags in Erfurt

Katholikentag als Zukunftslabor

Wie zuvor der Vorsitzende der Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing, bezeichnete Söding den dritten Katholikentag in Ostdeutschland seit der Wende als Zukunftslabor für eine Kirche in einer säkularen Gesellschaft. "Wir haben uns aus der Komfortzone herausbewegt", so Söding. Der Katholikentag findet unter dem Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens" statt, ein Zitat aus dem biblischen Buch der Psalmen.

Junge Menschen aus Baden-Württemberg

Zu Beginn des Katholikentags hat sich unsere Kollegin Claudia Bathe vor Ort mit sechs Jugendlichen getroffen, die zum ersten Mal einen Katholikentag besucht haben. Inzwischen haben die sechs Firmlinge und ihre beiden Betreuer einiges erlebt.

Wichtige Themen auf den Podien

Bundeskanzler Olaf Scholz wurde in Erfurt nach einem AfD-Verbot, nach dem Kampf gegen den Klimawandel und nach dem Einsatz deutscher Waffen im Ukraine-Krieg gefragt. Bei der Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression gehe es um Besonnenheit. Beim Klimaschutz müsse man alle mitnehmen, erklärte Scholz. Die Podiumsdiskussion wurde durch die Zwischenrufe von Aktivisten der Protestgruppe "Letzte Generation" kurz unterbrochen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Katholikentag in Erfurt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht den Katholikentag in Erfurt und nimmt an einer Podiusmdiskussion mit dem Titel „Gemeinschaft stärken – Gesellschaft gestalten" teil.

Der Krieg darf sich nicht ausweiten

Bundeskanzler Scholz warnte auch vor einer weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine. Er mahnte beim Katholikentag zu einer weiterhin engen Abstimmung der Verbündeten bei der Unterstützung der Ukraine. Die Bundesregierung veröffentlichte eine Erklärung, wonach die Ukraine künftig auch von Deutschland gelieferte Waffen einsetzen darf um Stellungen in Russland anzugreifen, insbesondere um sich gegen Angriffe im Raum Charkiw zu verteidigen.

AfD-Verbot?

Ein AfD-Verbot stehe "erstmal nicht an", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Ein Verbot ist eine ganz schwierige Sache in der Demokratie und deshalb bestehen da sehr hohe Hürden", so der Bundeskanzler. Aus seiner Sicht solle zunächst der Verfassungsschutz seine Arbeit tun, Gesetze müssten umgesetzt werden. 

Besucher auf dem Katholikentag in Erfurt
Besucher auf dem Katholikentag in Erfurt

Zeichen gegen Rechts

Im Herbst wird es drei Landtagswahlen in Ostdeutschland geben, bei denen mit großen Zuwächsen für die AfD gerechnet wird. Wie schon in früheren Jahren haben die Organisatoren ihre Haltung gegenüber der AfD beibehalten: AfD-Politiker wurden nicht zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen. Der Katholikentag wolle ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit setzen, so die Organisatoren vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, der Laienvertretung der katholischen Kirche in Deutschland, das für das Treffen verantwortlich war.

Kirche und der Kampf gegen die extreme Rechte

Es gibt kaum ein Bundesland, in dem es gemessen an der Einwohnerzahl mehr rechtsextreme Akteure gibt als in Thüringen, vom Verein über das Unternehmen bis hin zum Gemeinderat. Auf mehreren Podien war das beim Katholikentag in Erfurt Thema. Unter anderem ging es darum, welche Rolle die katholische Kirche spielt, wenn es darum geht, sich gegen die extreme Rechte einsetzen.

Missbrauch - Aufarbeitung besser regeln

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, forderte einen Perspektivenwechsel. "Die Politik muss ein Wächteramt gegenüber den Kirchen einnehmen“, sagte Claus in der Reglerkirche. Ohne die Einbeziehung der Betroffenen werde die Aufarbeitung sexueller Gewalt in den Kirchen nicht gelingen, so Claus.

Kerstin Claus (l), Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, und Matthias Katsch, Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch".
Kerstin Claus (l), Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, und Matthias Katsch, Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", sprechen in einer Podiumsdiskussion zum Thema «Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Verantwortung von Kirche und Staat» auf dem 103. Deutschen Katholikentag.

Transparenz und zügiges Handeln angemahnt

Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisierte mangelnde Transparenz bei der Arbeit der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) der Bischofskonferenz. Die Kommission ist zuständig für die freiwilligen Zahlungen der katholischen Kirche in Deutschland an Missbrauchsopfer.  Matthias Katsch, Mitbegründer der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", äußerte seine Resignation darüber, dass die große Mehrzahl der Fälle sexualisierter Gewalt bereits strafrechtlich verjährt sei. Die UKA sei personell unterbesetzt und im "Wettlauf mit der Zeit", beklagte die Vorsitzende des Gremiums, Margarete Reske.

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sitzt gemeinsam mit Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sitzt gemeinsam mit Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, im Podium einer Veranstaltung zum Deutschen Katholikentag in Erfurt.

Mehr Tempo bei den Reformen gewünscht

Die katholischen Bischöfe sehen trotz Widerständen im Vatikan weiter eine Chance auf Reformen der Kirche in Deutschland. Dazu zähle die Mitsprache von Laien und die Weihe von Frauen zu Diakoninnen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Mehr Tempo bei den Reformen forderte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp. "Wir brauchen eine Kirche, die attraktiv ist, zu der sich Menschen hingezogen fühlen", so Stetter-Karp. Im Kontext des Missbrauchsskandals sei irrsinnig viel Vertrauen verspielt worden. Rund 96 Prozent der Katholiken in Deutschland würden dringend Reformen wünschen, so die Vorsitzende des Laienverbands.

Zahlreiche Menschen stehen auf dem Domplatz während der Eröffnung des 103. Deutschen Katholikentags in Erfurt.
Zahlreiche Menschen stehen auf dem Domplatz während der Eröffnung des 103. Deutschen Katholikentags in Erfurt.

Schärfung des katholischen Profils

Das Programm des Katholikentags bot rund 500 Veranstaltungen an. Das waren immerhin etwa 1000 Veranstaltungen weniger als beim letzten Katholikentreffen vor zwei Jahren in Stuttgart. Laut Organisatoren soll das Treffen eine "zeitgemäße Profilschärfung" für die katholische Kirche in Deutschland bringen.

Moderatorin Silke Arning

Moderatorin am Sonntagmorgen Silke Arning

Moderatorin am Sonntagmorgen

Moderator am Feiertagmorgen