SWR1 Sonntagmorgen

Gemeinschaftliches Wohnen – welche Modelle brauchen wir?

Stand
Autor/in
Cüneyt Özadali

Immer mehr Menschen leben alleine. Viele würden in ihrem Wohnbereich aber gerne mehr Gemeinschaft erleben. Dafür gibt es zahlreiche Modelle.

Bei der Suche nach einer passenden Wohnsituation gibt es unterschiedliche Bedürfnisse: Familien wünschen sich eine kinderfreundlichere Umgebung, ältere Menschen wie auch Singles suchen sozialen Anschluss, wieder andere wollen naturnah und möglichst nachhaltig wohnen. Hinzu kommt, dass der Wohnraum in den Städten immer knapper und teurer wird. Da sind bezahlbare, gemeinschaftliche und zukunftstaugliche Konzepte gefragt. Einige werden bereits umgesetzt. Sie reichen von Mehrgenerationenhäusern über gemeinschaftliche Wohnquartiere bis zu ökologischen Genossenschaften.

Leben mit der Natur

Zum Beispiel die Genossenschaft Sonnenwald in der Gemeinde Seewald im Kreis Freudenstadt. Sie hat 45 Mitglieder, für die Gemeinschaft und nachhaltige Landwirtschaft besonders wichtig sind. Um beides zu realisieren, haben sie von der Bruderhaus-Diakonie fünf Häuser erworben und 2015 eine Genossenschaft gegründet. Mit dabei waren die ehemalige Pfarrerin Annette Keimburg und ihr Ehemann. "Wir wollten gerne Verbindung mit der Natur und Landwirtschaft, weil klar war, in der Zukunft werden wir sehr viel mehr Kontakt mit der Natur brauchen, um einfach auch die Motivation zu haben, die Natur zu bewahren."

Nachhaltigkeit hat Priorität

Für diese Wohnform haben sich Menschen unterschiedlichen Alters entschieden, darunter viele Berufstätige – vom Therapeuten bis zur Lehrerin. Dazu Freiwillige, die in Sonnenwald ihr Soziales Jahr ableisten. Vier der fünf Häuser nutzen sie als Wohngemeinschaft. Auf den Tisch kommen Obst und Gemüse aus hofeigener Landwirtschaft. Der Überschuss wird im Großhandel oder im eigenen Hofladen verkauft.

Hofladen der Genossenschaft Sonnenwald

Wie wohnen?

"Unsere Wohnbiographien ändern sich. Wir leben in der Familie, wir leben vielleicht wieder allein, man zieht wieder um, man verändert sich", sagt Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung StadtRegion Stuttgart 2027, (IBA‘ 27). Beim städtischen Wohnungsbau habe man bislang vor allem Familien bedacht. Doch das Leben in der Kleinfamilie sei eigentlich eine kurze Phase unseres Lebens, sagt Hofer. Nun gebe es ein sichtbares Defizit vor allem "an kleineren, barrierefreien Wohnungen, besonders für Menschen, die älter werden".

Passende Wohnformen sind Mangelware

Wenn sich jemand aus der Familienwohnung in eine kleinere Wohnung begeben wolle, habe er oder sie häufig das Problem, dass die größere, ältere Wohnung günstiger sei, betont Hofer. Es gebe noch zu wenige bezahlbare Kleinwohnungen. Deshalb betont er: "Wir denken heute eher in Quartier-Dimensionen".

Vom Modell Wohngemeinschaft, das lange Zeit angesagt war, sind viele Menschen abgerückt. Das enge Zusammenleben erfordert viel Toleranz und bietet wenig Rückzugsmöglichkeiten. Aus diesen Erfahrungen habe man gelernt, erklärt Hofer. Umgesetzt habe man sie im Modell der "Clusterwohnungen". Sie bestehen aus mehreren privaten Wohneinheiten mit Bad und Küche sowie Gemeinschaftsräumen, die unmittelbar an die Wohneinheiten anschließen.

Pallotti-Quartier – Zusammenleben in Vielfalt

Ein Beispiel dafür ist das Pallotti-Quartier in Stuttgart. Es wurde mit insgesamt acht Gebäuden auf dem Gelände der ehemaligen St. Vinzenz Pallotti-Kirche erbaut. Das Gotteshaus musste aufgrund zu weniger Besucherinnen und Besucher schließen. Seit 2021 wohnen auf dem Gelände christliche und muslimische Menschen, Familien und Einzelpersonen, Geflüchtete, Studierende und Ordensschwestern zusammen. Die kulturelle Vielfalt sieht Schwester Marie Pasquale als Gewinn. Die Theologin und Quartiersseelsorgerin betont: "Ich empfinde es als reich, unterschiedliche Hintergründe mitzubekommen, aber auch mitzubekommen: 'Hey, wie ähnlich sind wir uns doch trotz allem Hintergrund'". Im Zentrum stehe immer das Gemeinschaftsgefühl, so Schwester Marie Pasquale.

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Cüneyt Özadali