Mehr als eine halbe Million seltene Namen

Woher kommen komplizierte Familiennamen?

Stand
Moderator/in
Steffi Stronczyk
Steffi Stronczyk
Interview mit
Professor Jürgen Udolph

Komplizierte Nachnamen stellen uns manchmal vor sprachlich kaum überwindbare Hürden. Wir haben mit SWR1 Namenforscher Professor Jürgen Udolph gesprochen, wie sie entstehen und ob man sie ändern kann.

Komplizierte und seltene Familiennamen

SWR1: Was sind die kompliziertesten Nachnamen, die Ihnen als Namenforscher untergekommen sind?

Jürgen Udolph: Das sind die, die zum Beispiel in einem Telefonverzeichnis nur ein einziges Mal vorkommen. Und die Zahl dazu ist unglaublich: Es gibt über eine halbe Million Familiennamen, die nur ein einziges Mal im Telefonverzeichnis vorkommen.

Und es ist Fakt: Wenn ein Name nur einmal vorkommt, dann ist klar, dass irgendetwas mit dem Namen passiert ist. Der Name ist von irgendeinem anderen Namen verändert worden.

SWR1: Haben Sie konkrete Beispiele?

Udolph: Ich habe vor kurzem den Namen "Gintum" oder "Gentum" gehabt. Dazu war alles vollkommen unklar. Den gibt es 20 Mal in Heidelberg, sonst war nichts herauszufinden – nicht die geringste Spur.

Dann der Name "Helfenfinger". Da ist klar, dass der Finger hineingedeutet wurde. Der war ursprünglich nicht drin. Aber woher bitte?

Der Name "Tragelehen" aus Westpreußen, wurde eingedeutscht. Aber bitte woraus?

Oder der Name "Fusch". Den gibt es 60 Mal und wahrscheinlich handelt es sich um eine Verschreibung von Fuchs, aber wir wissen es nicht.

Wenn wir nicht wissen, wie die Grundlage aussah, dann können wir den Namen auch nicht deuten.

SWR1 Namenforscher Prof. Jürgen Udolph klärt auch Ihren Familiennamen

Komplizierte Familiennamen und Kirchenbücher

SWR1: Wenn wir zum Beispiel meinen Nachnamen "Stronczyk" hören, fragen mich die Leute jedes Mal: Wie schreibt man den? Was ist Ihnen da schon untergekommen?

Udolph: Schreibungen sind ein Thema für sich. Einfach deshalb, weil wir früher die Schreibe nur aus den Kirchenbüchern haben. Kirchenbücher sind handschriftliche Notizen des entsprechenden Pastors. Und was glauben Sie: Ist die Handschrift der Pastoren immer schön sauber und ordentlich?

SWR1: Natürlich nicht!

Udolph: Natürlich nicht – das kommt noch hinzu. Wenn jetzt diese Schrift nicht so ganz sauber ist, dann kommt der Nachfolger des Pastors, weil der Vorgänger gestorben war, und der liest dann jetzt, was der Kollege geschrieben hat – so wie er es versteht.

Das sind die Geschichten, wo wir dann auf dem Schlauch stehen. Das Einzige, was da vielleicht noch helfen kann, sind genealogische Untersuchungen. Also, dass man genau nachschaut: Welchen Namen haben wir dort? Was manchmal hilft, ist ein "Parallel-Name", ein ähnlicher Name, woraus wir dann kombinieren, dass dort ein Name verändert worden ist.

Der Fall "Fuhs"

Udolph: Folgendes zum Beispiel: Ich habe den Namen "Fuß". Fuß würde ich mit "ß" schreiben. Jetzt finden sie den Familiennamen "Fuß", hinten aber mit "hs", also als "Fuhs", geschrieben.

Warum? Weil hier die Sütterlin-Lesung hineinspielt. Das "ß" kann man, wenn man die Sütterlin-Schreibweise kennt, als "hs" auslegen, weil das "h" im Sütterlin eben ein langer Strich ist.

Deswegen haben wir eine Schreibung von "Fuß" mit "hs", die völlig bescheuert ist. Aber wenn diese Schreibweise erst beim Standesamt eingetragen sind, dann bleibt das so und eine Umschreibung ist nicht möglich.

Das Gespräch führte Steffi Stronczyk.

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