SWR1: Wie geht's dir?
Johannes Oerding: Mir geht es besser als den meisten und ich hab mich damit abgefunden, dass ich jetzt ein bisschen weniger auf der Bühne stehe. Und das ist gewöhnungsbedürftig, aber ich glaube, ich bin auf einem guten Weg.
SWR1: Du hast einen neuen Song am Start, zusammen mit jan SEVEN dettwyler. Ein Schweizer Name – ist er so was wie der Schweizer Johannes Oerding?
Oerding: Ja, es gibt viele Parallelen zwischen jan SEVEN und mir. Genau wie ich, ist er in der Schweizer Version von "Sing meinen Song" auch für viele Jahre der Gastgeber gewesen. Das heißt, das verbindet uns. Aber auf der anderen Seite ist auch er einen langen, steinigen Weg gegangen, um zu singen und sich zu etablieren. Da verbindet uns einiges.
SWR1: Der Song heißt "Kurz auf Stop" – Nichtstun, mal runterfahren, entschleunigen. Das ist womöglich was, was dir nicht so liegt?
Oerding: Ja, das würde ich mittlerweile auch selbst bestätigen. Ich denke mal, mein Umfeld wird es noch mehr so sagen. Ich bin einfach viel unterwegs gewesen in den letzten Jahren, ich habe immer sehr fokussiert an meiner Musik gearbeitet. Und dann kam schon wieder das nächste Projekt. Nach dem Album kommt die Tour, nach der Tour kommen die Open Airs, nach den Open Airs kommt dann irgendeine Fernsehshow und dann wieder das Album. Das heißt, man war in so einem Hamsterrad drin – aber einem schönen Hamsterrad, wie ich finde. Nur jetzt ist, glaube ich, der Punkt gekommen, um sich wirklich mal hinzusetzen und auch hoffentlich auf andere Gedanken zu kommen. Respektive auf neue Gedanken zu kommen, weil man will sich ja auch nicht in seinen Songs wiederholen.
SWR1: Ist der Hauptgrund für die Pause, dass es einfach zu viel war in den letzten Jahren?
Oerding: Zu viel ist, glaube ich, zu hart formuliert. Ich habe das schon alles sehr genossen, sehr gerne gemacht. Aber wenn du dann zwischendurch mal bei einem Konzert auf der Bühne stehst und bei einem Song eher daran denkst, was ich morgen eigentlich alles einkaufen muss, als den Moment zu genießen, dann ist das für mich ein Alarmsignal. Dann war klar, ich sollte vielleicht mal ein bisschen Pause machen, um das auch wieder alles genießen zu können.
SWR1: Ich glaube eine Menge Leute würden sehr gern mal die Pause-Taste drücken, was auch mit der Weltlage zu tun hat. Haben der Krieg in der Ukraine und der Nahostkonflikt auch was mit dir gemacht?
Oerding: Ja, absolut. Ich denke, man kommt gar nicht drumherum, es sei denn man verweigert sich völlig der Außenwelt. Aber es geht ja morgens schon los, wenn du dich auf dem Laufenden halten willst und Nachrichten liest. Man hat das Gefühl, es gibt nur schlechte davon. Auch da habe ich mir vorgenommen, hin und wieder mal eine Auszeit zu nehmen. Dass man einfach nicht die ganze Zeit immer alles mitverfolgt und für sich auch tatsächlich ein paar Pausen hat und weiß, ich kann die Welt nicht komplett verändern. Aber ich muss eben auch auf mich achten.
SWR1: Was macht eigentlich ein Johannes Oerding ein ganzes Jahr lang, wenn er nicht auf Stop steht? Also vielleicht kommt Dir die Idee für den ein oder anderen Song, aber Du kannst ja auch nicht 12 Monate lang Songs schreiben. Dann bist Du ja wieder in einem anderen Hamsterrad.
Oerding: Ja, absolut. Ich habe mir vorgenommen, sehr viel zu reisen. Das heißt, so richtig Stillstand ist nicht angesagt, ganz im Gegenteil. Ich werde sehr viel in Bewegung sein und werde viele Dinge nachholen, die ich in den letzten 18 bis 20 Jahren nicht gemacht habe, weil ich dafür keine Zeit hatte. Ich möchte auch mal für längere Zeit in anderen Ländern sein und mich dort inspirieren lassen. Ich möchte an Orte, die ich noch nicht kenne. Ich möchte vielleicht auch ein bisschen meine eigene Musikgeschichte abklappern. Das sind Dinge, die mich geprägt, die ich geliebt habe, beispielsweise Musik aus Nordamerika aus gewissen Orten und Regionen. Da möchte ich sozusagen die Wurzeln besuchen. Also es steht viel auf dem Plan.
SWR1: Das klingt, als ob Du mehr Erfolg haben könntest als Dein Kollege Ed Sheeran. Der hat gerade mal zwei Monate die Beine stillhalten können, dann war es vorbei.
Oerding: Der ist ja noch jung und macht das auch noch nicht so lange wie ich. (lacht) Ich glaube, wir ticken alle ein bisschen gleich. Wir haben einen gewissen Drive, immer weitermachen zu wollen. Da spielt mit Sicherheit auch ein Stück weit die Angst vor dem Relevanzverlust mit rein. Also dass man wirklich denkt, hoffentlich vergessen mich die Leute nicht, wenn ich zu lange weg bin, sodass man immer wieder abliefern möchte. Dieses Mal zwinge ich mich einfach dazu zu sagen, ich bin jetzt mal weg und wenn die Leute mich vergessen, wäre das doof, aber ich glaube es nicht.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Vitt.