SWR1: Wie fühlt es sich denn für Sie an, jetzt nach 7 Jahren wieder ein a-ha Album rauszubringen?
Magne Furuholmen: Wie bei den letzten Platten auch – wir denken immer, dass die davor die letzte war und dann taucht doch wieder eine auf. Aber diesmal war’s doch ein bisschen anders. Wir hatten uns drauf verständigt, dass wir im Prinzip eine Live-Einspielung machen, zusammen mit einem Orchester im Norden von Norwegen, hinter dem Polarkreis und vor Live-Publikum. Aber wegen der Pandemie haben wir dort am Ende zusammen mit dem Orchester und einer Film-Crew alleine gestanden. Vorher hat Paul in L.A. und ich in Norwegen jeweils sechs Songs dafür aufgenommen. Das war schon ungewöhnlich, aber eigentlich ganz gut – ich hab‘ mehr Zeit mit meinem Hund verbringen können.
SWR1: In einer Filmdokumentation über a-ha dieses Jahr ist ein Satz gefallen, den ich erstaunlich fand: "Nicht unsere Freundschaft hat uns zusammengehalten, sondern die Musik". Also muss die Musik Sie drei rufen, damit Sie kommen?
Furuholmen: Kann man schon so sagen. Wir haben einfach alle innen drin großen Respekt füreinander als Künstler, für unsere Zeit mit a-ha und das Erbe der Band. Immer, wenn wir als a-ha wieder was machen, Konzerte oder neue Musik, dann haben wir das Gefühl - das ist nicht einfach ein weiterer Tag im Job, sondern wichtig und wertvoll. Das ist heute sowieso anders als in den 80ern, wo’s nur um Ringen in weltweiten Chartpositionen gegangen ist. Heute haben wir viel mehr Freiheiten, um was etwas zu schaffen, das auch den Ehrgeiz hat, zu etwas Schönem und Bedeutungsvollem zu werden.
SWR1: Das neue Album "True North" ist eine Liebeserklärung an Ihre Heimat Norwegen, an die Natur und den Wald. Die Farbe Blau am Himmel und im Wasser kommt häufig in den Texten vor. Sowas ist früher schon in a-ha Songs mal angeklungen, aber nicht so dominant. Warum also jetzt?
Furuholmen: Wir wollten, dass diese Platte wie eine musikalische Ansichtskarte aus unserer Heimat ist. Der hohe Norden hat so einen starken Einfluss auf uns gehabt, als wir aufgewachsen sind. Es soll rüberkommen, wie wichtig die Natur in der skandinavischen Kultur verankert ist. Ein weiterer Grund ist, dass wir in Zeiten von großen Naturkatastrophen und existenziellen Bedrohungen leben. Norwegen ist von einem Land relativer Armut als Nation von Fischern, Seeleuten und Jägern zu einem sehr privilegierten Erdöl exportierenden Staat gewachsen und es ist uns als Norweger sehr bewusst, was solche Entwicklungen mit der Klimakrise zu tun haben. Es hat Tradition bei skandinavischen Songschreibern, dass sie über die Schönheit der Natur und Landschaft schreiben, aber dazu gekommen ist, dass das alles auch sehr zerbrechlich ist. Mittlerweile haben wir kapiert, dass wir uns darum kümmern müssen.
SWR1: In der a-ha Musik ist neben den Gute-Laune-Hits auch immer viel Melancholie drin gewesen, zum Beispiel in "Hunting High and Low" 1986 und das ist auf dem neuen Album noch viel stärker ausgeprägt. Die Norweger und Skandinavier im Allgemeinen gelten auch als traurig-melancholisch in ihrer Kunst – ist das nur ein Klischee?
Furuholmen: Ich finde, dass an den Stereotypen was dran ist. Aber Traurigkeit ist für uns Skandinavier kein Zustand von Depression oder sowas, sondern hat was mit Sehnsucht zu tun. Also hat Melancholie einen positiven Effekt auf uns. Ich witzele immer rum, dass mich fröhliche Songs immer traurig machen, und traurige Songs mich happy. Ja, wir sind wirklich so (lacht). Und nein, wir sind nicht deprimiert, sondern mögen einfach das Blaue, also das Traurige im Farbenspektrum.
SWR1: Lassen Sie uns über den Sound des neuen Albums "True North" sprechen, der klingt ziemlich handgemacht. Wenig Elektronik und dann auch das Orchester dazu, das sehr organisch klingt…
Furuholmen: Das trifft es genau, denn die Musik ist handgemacht. Paul hat seine Songs produziert und ich meine. Während der Lockdowns hat jeder so viel Zeit in Isolation verbracht und für einen Musiker gibt es nichts, was mehr Trost spendet, als zur Gitarre zu greifen. Obwohl ich Keyboards spiele, sind fast alle meine Songs für das neue Album erst auf der Gitarre entstanden.
SWR1: Wenn wir über Keyboards sprechen – Sie haben ja die berühmte Keyboard-Melodie von "Take on me" erfunden, schon in den 70ern und lange vor a-ha…
Furuholmen: Ja, das ist eine kleine, unschuldige Geschichte über mich als 15-Jährigen, der überhaupt nicht an eine Pop-Karriere oder sowas gedacht hat. Paul und ich waren aber schon damals Songwriting-Partner. Wir haben immer versucht, uns gegenseitig zu beeindrucken mit eingängigen oder berührenden Stücken. Als ich ihm dann die spätere "Take on me"- Keyboard-Melodie vorgespielt hat, fand er sie zu poppig – er hat sie nicht gemocht!
SWR1: Wirklich?
Furuholmen: Ja, das Keyboard-Riff ist dann später immer mal wieder aufgetaucht in anderen Songs, aber als wir dann zusammen mit Morten Musik gemacht haben 1982, sind wir da ernsthaft wieder rangegangen. Morten war der Meinung, dass das ein wirklich starker Song mit Ohrwurm-Charakter ist, und dass wir den in anderer Form fertig machen sollten. Also der Song "Take on me" war immer in irgendeiner Form da, hat sich dann über die Jahre aber stark verändert…
SWR1: …aber als Sie "Take on me" 1984 das erste Mal auf Platte rausgebracht haben, war es ein Flop und hat nicht funktioniert…
Furuholmen: …in Norwegen war es ein Hit, aber sonst nirgendwo. Das Problem war, dass es keine gute Version des Songs war. Wir haben es aber geschafft, also genau genommen war ich das, der die Plattenfirma davon überzeugt hat, uns noch 'ne Chance zu geben mit einem anderen Produzenten. Der hat "Take on me" sehr viel näher an unserer Demo-Version produziert und das ist tatsächlich die Hit-Fassung, die jeder kennt. Normalerweise kriegst du im Pop-Geschäft keine zweite Chance, aber wir hatten das große Glück, sie zu bekommen und waren am Ende mit dem Ergebnis sehr glücklich.
SWR1: Lange sind Sie als Hauptautor von "Take on me" nicht gewürdigt worden, was sich jetzt geändert hat. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Ohne Sie und Ihre kleine Keyboard-Melodie gäbe es die Weltkarriere von a-ha nicht und wir würden nicht sprechen. Das muss doch ein tolles Gefühl heute sein…
Furuholmen: Ist es auch. Ich meine, das sind einfach die Fakten. "Take on me" ist unser Dauerbrenner, der Song wird immer wieder neu entdeckt von neuen Generationen. Natürlich gab’s Zeiten, da haben wir gesagt, dass die Leute "Take on me" endlich mal vergessen, und sich unsere aktuellen Sachen anhören sollen (lacht). Aber es ist ein Privileg, etwas so ikonenhaftes gemacht zu haben, das in so vielen Ohren und Köpfen einen Platz hat. Das muss man einfach respektieren.
Das Interview führte SWR1 Musikredakteur Dave Jörg.